Buch über das Ostpreußenviertel in Westend

In der Sensburger Allee 25 hatte der Bildhauer Georg Kolbe sein Atelier. Heute befindet sich hier das Georg-Kolbe-Museum. | Foto: Wecker
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Westend. Im Ortsteil gibt es viele Straßen, die an Ostpreußen erinnern. Andreas Jüttemann hat hierzu ein Buch geschrieben.

In der Stallupöner Allee 19-23 wurden zu Beginn der Nazizeit in einem Bunker Telefongespräche abgehört. Zur Tarnung wurde darüber ein Wohnhaus errichtet. Als dies fertig war, hieß der namensgebende Ort schon nicht mehr Stallupön, sondern Ebenrode. Nach dem Krieg sendeten von dem Grundstück der britische Militärsender und später der Nordwestdeutsche Rundfunk und die BBC. Nach Gründung des SFB sendete er bis 2006 von hier. Im Februar dieses Jahres begannen die Abrissarbeiten.Nur wenige Hausnummern weiter, in der Stallupöner Allee 11, nahm sich der legendäre Flieger Ernst Udet am 17. November 1941 das Leben.

Solche Geschichten sind dem neuen Buch von Andreas Jüttemann "Ostpreußenviertel Berlin-Westend" zu entnehmen. Sein eigentlicher Gegenstand sind jedoch die Straßennamen. Sie klingen allesamt nach Ortschaften, aber kaum jemand kann mit diesen Orten etwas anfangen. Manche gehören schon seit dem Versailler Vertrag nicht mehr zu Deutschland, andere lagen im "Korridor" nach Ostpreußen oder direkt in Ostpreußen. Letzteres gilt auch für die Kranzallee, die nur deswegen nicht direkt an das beliebte Seebad in Ostpreußen erinnert, weil das dortige Kranz seit 1893 mit "C", also "Cranz" geschrieben wird. Seit 1945 ist es russisch und heißt Selenogradsk.

Andere Orte sind ganz verschwunden. Das betrifft Schirwindt, wonach 1925 die Schirwindter Allee benannt wurde. Es war der erste deutsche Ort, der von der Roten Armee erobert worden war. Andere Städte hatten nur entfernt etwas mit Ostpreußen zu tun. Das galt für Graditz, das in Sachsen liegt, aber mit dem ostpreußischen Trakehn verwandt war, weil auch dort berühmte Pferde - wie die noch heute bekannten Trakehner - gezüchtet wurden. Die Nationalsozialisten benannten die Graditzer Allee im Olympiajahr 1936 nach einem der Väter der deutschen Sportbewegung in Friedrich-Friesen-Allee um.

Verdienstvoll an diesem informativen Buch ist zudem, dass Andreas Jüttemann Geschichte auch anhand von Schicksalen einzelner Bewohner des Ostpreußenviertels lebendig werden lässt. So berichtet er von den Brüdern Karl und Dietrich Bonhoeffer aus der Marienburger Allee, dem Filmstar Lilian Harvey aus der Kurländer Allee und von Frauenburg, in dessen Dom Kopernikus das heliozentrische Weltbild entwarf.

Das Gebiet zwischen dem Olympiastadion, dem S-Bahnhof Heerstraße, Grunewald und Stößensee wurde zwischen 1918 und 1939 mit Stadtvillen für betuchte und prominente Berliner nach Plänen teils berühmter Architekten bebaut. Mit den Straßennamen wurde an Schlachten auf dem Gebiet (Tannenberg- und Lyckallee) und an die vom Reich abgetrennte Provinz Ostpreußen erinnert. Neben all diesen Zusammenhängen findet der Autor in der Broschüre noch Platz, auch die Architekturgeschichte bis zur späteren britischen Militärsiedlung am Scholzplatz, dem Le Corbusierhaus und der Hochhaussiedlung "Belvedere" an der Angerburger Allee zu würdigen. So ist dieser Rundgang durch das Ostpreußenviertel gleichsam eine Tour durch die Geschichte des 20. Jahrhunderts.

Andreas Jüttemann "Ostpreußenviertel Berlin-Westend", 9,80 Euro, ISBN: 978-3-86514-200-9.
Frank Wecker / FW
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Lokalredaktion aus Mitte

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