Rathaus Wilmersdorf: Unzufriedene Flüchtlinge campieren draußen

Aus Unzufriedenheit an der frischen Luft: Ein Camp vor dem Rathaus Wilmersdorf sollte zeigen, was die Bewohner vom Leben in der Großunterkunft halten. | Foto: Thomas Schubert
  • Aus Unzufriedenheit an der frischen Luft: Ein Camp vor dem Rathaus Wilmersdorf sollte zeigen, was die Bewohner vom Leben in der Großunterkunft halten.
  • Foto: Thomas Schubert
  • hochgeladen von Thomas Schubert

Wilmersdorf. Bettwanzen, keine Kochstelle, kaum Perspektiven: Aus Protest gegen die von ihnen empfundenen Missstände schliefen Bewohner des Flüchtlingsheims Rathaus Wilmersdorf wiederholt im Freien. Betreiber und Bezirksamt sehen keinen Zustand, der das rechtfertigen würde.

Gar kein Dach über dem Kopf ist immer noch besser als solch ein Dach – unter dieser Annahme trieb es Flüchtlinge aus der Notunterkunft am Fehrbelliner Platz mehrfach vor die Türen ihres Heims. So campierten dort auch Großmütter und Kinder. Und der schweigsame Protest fand schnell jemanden, der ihn der Allgemeinheit erklärt: ehrenamtliche Helfer des Netzwerks „Moabit hilft!“. Sie halten die Zustände im früheren Rathaus Wilmersdorf, seit Sommer 2015 ein Heim in Trägerschaft des Arbeiter-Samariter-Bunds, zunehmend für bedenklich und taten das auch öffentlich kund.

Lieber auf der Straße als im Heim

In der Liste von Vorwürfen nennt man Unappetitlichkeiten wie Bettwanzenbefall und handfeste Streitigkeiten zwischen einem Bewohner und dem Sicherheitspersonal. Aber auch generelle Probleme stehen im Raum. So ist es im Heim aus hygienischen Gründen nicht erlaubt, Lebensmittel aus der Verpflegungszone in die Wohnbereiche zu bringen.

Für Sozialstadtrat Carsten Engelmann (CDU) war das Grund genug für eine Inspektion. Mit unauffälligem Ergebnis: „Der Gesamteindruck ist nicht bedenklich.“ In Sachen Hygiene habe das Gesundheitsamt keine groben Mängel festgestellt. Alle Sanitäranlagen würden dreimal am Tag gereinigt. Es habe sich lediglich angedeutet, dass manche der früheren Büroräume die Umgestaltung zur Nasszelle nicht dauerhaft vertragen. Bettwanzen seien generell in Großunterkünften ein bekanntes Übel. „Bei einem Befall erhalten die Bewohner sofort ein Ausweichzimmer“, stellt Engelmann klar. Und im Problemzimmer trete unverzüglich ein Kammerjäger in Aktion.

"Wir haben Verständnis"

Dem Wunsch vieler Bewohner, im Ex-Rathaus eine vollwertige Großküche einzurichten, können aber weder Bezirksamt noch das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten entsprechen. „Dieses Thema ist so lange existent wie die Notunterkunft“, weiß Engelmann. Wegen allzu kostspieliger Umbauten und Bedenken beim Brandschutz werde es bis zum Ende der Belegung keine Küche geben.

Und was sagen die Heimbetreiber? „Wir haben Verständnis für die schwierige Situation der Bewohner, anderthalb Jahre und länger in einer Notunterkunft leben zu müssen. Wir tun weiterhin alles, um die Situation so erträglich wie möglich zu gestalten“, zeigt der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) in einem Schreiben Mitgefühl für das Schicksal seiner rund 950 Schützlinge.

Beim Konflikt zwischen einer Securitykraft und einem Mann, den die Verpflegungssituation störte, will der ASB schnell reagieren. „Der Zusammenstoß eines Bewohners mit der Security wird von uns sehr bedauert. Die betroffene Familie erhält von uns jegliche Unterstützung, ihre Situation im Haus so erträglich wie möglich zu gestalten und um möglichst schnell in eine für sie geeignetere Einrichtung verlegt zu werden.“ Sauberkeit hin, Security her – das Heim verlassen möchten wohl alle Bewohner. Einige leben dort schon so lange auf engstem Raum, wie es die Notunterkunft gibt. tsc

Autor:

Thomas Schubert aus Charlottenburg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Folgen Sie diesem Profil als Erste/r

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 184× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wenn auch Sie mehr über Ihre Schulterbeschwerden erfahren möchten und sich über mögliche Behandlungsansätze informieren möchten, kommen Sie zum Informationsabend am 23. Mai. | Foto: B. BOISSONNET / BSIP

Wir informieren Sie
Schmerzen in der Schulter – Ursachen und Behandlungen

Schmerzen in der Schulter können vielfältige Ursachen haben – sei es durch Unfälle oder Verschleißerscheinungen. Diese Ursachen können die Beweglichkeit beeinträchtigen und die Lebensqualität stark einschränken. Unsere Experten, Dr. med. Louise Thieme und Robert Tischner, Teamchefärzte des Caritas Schulter- und Sportorthopädiezentrums, werden bei unserem Informationsabend speziell auf die Problematik von Schulterbeschwerden eingehen – vom Riss der Rotatorenmanschette bis zur Arthrose. Sie...

  • Pankow
  • 18.04.24
  • 142× gelesen
Gesundheit und Medizin
Wenn Hüfte oder Knie schmerzen, kann eine Arthrose die Ursache sein.

Infos für Patienten
Spezialthema: Arthrose in Hüft- und Kniegelenken

Sie leiden unter Schmerzen im Knie- und Hüftgelenk? Diese Beschwerden können verschiedene Ursachen haben, wie beispielsweise Unfälle, Verschleißerscheinungen, angeborene oder erworbene Fehlstellungen. Die Auswirkungen beeinflussen nicht nur die Beweglichkeit, sondern auch die Lebensqualität entscheidend. An diesem Infoabend möchten wir speziell auf die Arthrose in Knie- und Hüftgelenken eingehen. Die Behandlung von Arthrose erfolgt individuell aufgrund der vielfältigen Ursachen und...

  • Pankow
  • 19.04.24
  • 13× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Langanhaltende Schmerzen können ein Anzeichen für Gallensteine sein.  | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Wann ist eine OP sinnvoll?
Infos zu Gallensteinen und Hernien

Leiden Sie unter belastenden Gallensteinen oder Hernien (Eingeweidebruch) Langanhaltende Schmerzen begleiten viele Betroffene, unabhängig des Lebensalters, bevor sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung können jedoch häufig Komplikationen vermeiden. Wir sind auf die Behandlung dieser Probleme spezialisiert und bieten Ihnen erstklassige allgemein- und viszeralchirurgische Expertise. Von Diagnostik bis Nachsorge: Wir kümmern uns individuell um Ihre...

  • Reinickendorf
  • 17.04.24
  • 192× gelesen
Jobs und KarriereAnzeige
Foto: VEAN TATTOO
4 Bilder

Tattoo-Kurse
Ausbildung für Topberuf des letzten Jahrzehnts

Eine Frage, die immer aktuell ist, auch wenn man schon vor langer Zeit erwachsen ist. Sehr oft entscheiden wir uns aufgrund des sozialen Drucks für einen Beruf. Wie oft haben Sie sich gefragt, was aus Ihnen geworden wäre, wenn Sie auf sich selbst gehört hätten? VEAN TATTOO hat diese wichtige Frage vor zwölf Jahren ehrlich für sich selbst beantwortet und reicht daher ohne Zweifel allen, die über ihren ersten oder neuen Beruf nachdenken, eine helfende Hand. Es liegt an Ihnen, zu entscheiden,...

  • Mitte
  • 25.03.24
  • 1.527× gelesen
  • 1
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.