Kommunale Galerie befasst sich mit dem Begriff "Abwesen"

Eindringlich, aber unpersönlich: Bei Karoline Schneiders Fotografien spielte die Technik eine größere Rolle als Eigenarten ihrer Modelle. | Foto: tsc
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  • Eindringlich, aber unpersönlich: Bei Karoline Schneiders Fotografien spielte die Technik eine größere Rolle als Eigenarten ihrer Modelle.
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Wilmersdorf. Die eine lichtete Menschen mit Chemikalien ab. Die andere erschuf bizarre Hülsen, denen das Leben entwich. Was Karoline Schneiders Fotografien und Eriko Yamazaki Kunstgebilden gemein haben, ist das Andeuten von dem, was nicht da ist.

An diesen Zwillingen geht man nicht einfach vorbei. Wie das Schwarz-Weiß ihrer Augen heraussticht, wie ihre ernsten Gesichter in einem Schleier von Störeffekten schwimmen - das bringt den Rundgang des Kunstfreunds ins Stocken. Karoline Schneiders Bilder sind übersät mit fleckigen Zufallsprodukten. Ihre Aufnahmetechnik hielt das Einfallstor für das Unvorhersehbare weit geöffnet. Diese Porträts - sind das Gemälde oder Fotografien?

Wer die Einladungskarten der Ausstellung "Abwesen" kennt, weiß dass Karoline Schneider letzteres zeigt. Nicht die abgelichtete Person war für sie von Interesse, sondern ihre Idee von dieser Person. Diese unpersönliche Fotografie gelingt mit Hilfe einer chemischen Technik, die schnelles Arbeiten erfordert. Maximal zehn Minuten hatte sie Zeit, das Bild zu entwickeln, bevor die fotografische Chemikalie getrocknet war. Zwei Sekunden Belichtungszeit sorgten für höchste Verwacklungsgefahr. "Manchmal reichte der Herzschlag des Fotografierten aus, um das Bild unscharf zu machen", sagt Sabine Kolb, die zur Ausstellung eine Einführungsrede hielt. Das Gegenmittel: "Die Künstlerin spannte ihre Fotomodelle in eine Halterung, um sie zu fixieren." Ungeplantes widerfuhr Schneider natürlich trotzdem. "Ich bin froh, wenn der Zufall mitspielt. So viele Ideen kann ich gar nicht haben."

An ihre Bilder kommt niemand heran, ohne der organisch-grauen Gebilde gewahr zu werden, die den Ausstellungsraum der Kommunalen Galerie übersähen. Termitenhügel könnten es sein, Korallen, Nester von unbeschreiblichen Tieren. Wie Wucherungen haften die Kunstwerke Eriko Yamazakis sogar in den Winkeln der Galerie. Sie ist die zweite Ausstellerin im Bunde. Die zweite Künstlerin, die zeigt, was fort ist. Eine Mischung aus Pappmaschee und ungebranntem Ton, das war ihr widerspenstiges Material. Alle Hülsen sind hohl und haben Ausgänge, als seien die Bewohner flügge geworden. Mit Mutmaßungen über das Verschwundene bleibt der Betrachter zurück. Er sieht die Ruinen des gewichenen Lebens.

"Wir haben lange um einen Titel für die Ausstellung gerungen", erklärt Rachel Kohn vom Frauenmuseum. In Absprache mit der Kommunalen Galerie hatte man sich diesem schwierigen Projekt gewidmet. Mit dem Kunstwort "Abwesen" als Klammer für beide Werkgruppen waren schließlich alle Beteiligten zufrieden. Ein Begriff, den der Philosoph Byung-Chul Han einst geprägt hat. "Er bedeutet das Gegenteil zur Anwesenheit des Ichs", so Kohn. Mit anderen Worten: Das Wesentlich fehlt, und der Überrest verpflichtet den Betrachter zur gedanklichen Ergänzung. Wo das "Abwesen" herrscht, braucht es die Gegenwart des Geistes.

Die Ausstellung "Abwesen" in der Kommunalen Galerie, Hohenzollerndamm 176, ist bis 30. März geöffnet. Di-Fr 10 bis 17 Uhr, Mi 10 bis 19 Uhr, So 11 bis 17 Uhr.
Thomas Schubert / tsc
Eindringlich, aber unpersönlich: Bei Karoline Schneiders Fotografien spielte die Technik eine größere Rolle als Eigenarten ihrer Modelle. | Foto: tsc
Hülsen aus Pappmaschee und ungebranntem Ton: Eriko Yamazakis Gebilde wirken wie Überbleibsel verschwundenen Lebens. | Foto: Schubert
Autor:

Thomas Schubert aus Charlottenburg

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