Gegen religiöses Mobbing
Diskussion über bundesweit einzigartige Anlaufstelle in Neukölln geht in die nächste Runde

Das Bezirksamt möchte eine „Anlaufstelle konfrontative Religionsbekundung“ schaffen. Ende 2021 wurde deshalb eine Bestandsaufnahme an acht Neuköllner Schulen gemacht. Die Linken kritisieren das Projekt.

Sie stellten in der Bezirksverordnetenversammlung eine Anfrage, die Bürgermeister Martin Hikel (SPD) beantwortete. Er sagte, es seien unter anderem Schulleiter und Schulsozialarbeiter interviewt worden. Sie hätten beispielsweise von alevitischen Kindern berichtet, die sich aus Angst vor Mobbing nicht zu ihrem Glauben bekennen. Oder von Lehrerinnen, die von Schülern drangsaliert werden würden, weil ihr Rock zu kurz sei. Die Befragten hätten besonders „die prägende Kraft eines konservativen bis radikalen Islams“ beklagt. „Im Schulalltag werden solche Formen der Religionsausübung genutzt, um Aufmerksamkeit herzustellen, zu provozieren, zu erniedrigen oder Dominanz auszuüben“, so Hikel. Die Bestandsaufnahme hätte wegen der Förderbedingungen innerhalb von sechs Wochen stattfinden müssen. Deshalb sei keine Zeit gewesen, Schüler und Eltern zu interviewen. Es hätten sich aber etliche gemeldet und Interesse an der Weiterführung des Projekts bekundet. Darüber hinaus hat Hikel ein Treffen mit Imamen verabredet. „Sie werden, wie andere Vertreter von Religionsgemeinschaften, benötigt, um Diskriminierungen im Namen einer Religion zu begegnen“, so der Bürgermeister.

Befeuern statt schlichten?

Die Linken halten den Ansatz für falsch. Das Projekt berge die Gefahr, muslimische Jugendliche zu stigmatisieren und alltägliche schulische Konflikte zu befeuern statt sie zu schlichten, so Ahmed Abed, Chef der Linksfraktion. Ein Dorn im Auge ist ihm auch, dass Michael Hammerbacher vom Verein DeVi mit der Leitung der Bestandsaufnahme beauftragt war. Abed zweifelt an seiner Neutralität, denn Hammerbacher sei gleichzeitig Sprecher der Initiative Pro Neutralitätsgesetz und wolle Belege finden, dass das Kopftuch eine Gefahr für den Schulfrieden sei.

Ob tatsächlich eine „Anlaufstelle konfrontative Religionsbekundung“ geschaffen wird, ist noch nicht klar. Gespräche mit der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie würden geführt, so Hikel. „Aus Sicht des Bezirksamts ist es wichtig, die Ergebnisse ernst zu nehmen, die Thematik vertieft zu bearbeiten und Lücken in Hilfesystemen zu schließen“, sagt er. 

Senat ist skeptisch

Um eine „Anlaufstelle für konfrontative Religionsbekundung“ einzurichten, braucht der Bezirk Geld aus der Landeskasse. Doch beim Senat trifft das Vorhaben auf Skepsis. Begrüßt wird hingegen eine wissenschaftliche Untersuchung.

Das geht aus der Antwort auf eine Anfrage des Abgeordneten Christopher Förster (CDU) hervor. Alexander Slotty, Staatssekretär bei der Bildungsverwaltung, sagte, dem Senat seien „mehrere Einzelfallberichte von Schulen bekannt, die religiös aufgeladene Konflikte schildern“. Oft gebe es jedoch noch viele andere Faktoren für die Auseinandersetzungen, deshalb könne der Begriff „konfrontative Religionsbekundung“ den Blick auf die Ursachen verengen. Zudem sei die Bezeichnung nicht wissenschaftlich definiert. Mit dieser Begründung lehnte Slotty auch die Antwort auf weitere Fragen von Förster ab, der wissen wollte, welche Gruppen besonders von Übergriffen betroffen seien: Mädchen und Frauen, Homo- und Transsexuelle, Andersgläubige oder Mitglieder der eigenen Religion.

Vermittler viel zu selten nachgefragt

Laut Slotty werde das Thema religiöse Toleranz nicht nur im Schulunterricht behandelt, es gebe auch viele Ansprechpartner. So stünden Lehrer, die islamische Religion unterrichten, zur Verfügung, genauso wie das Islamforum Berlin, dem auch der Senat angehört. „Die Vermittlungsangebote der muslimischen Vertreterinnen und Vertreter werden bislang von Schulen noch zu selten aufgegriffen und nachgefragt“, so Slotty.

Schließlich fragte Förster, ob der Senat etwas über Religionsgemeinschaften wisse, die zu den Konflikten beitrügen, zum Beispiel mit streng islamischen Wochenendschulen. Slotty verneinte. Diese Antwort findet Förster „besonders irritierend“. Schließlich habe Astrid-Sabina Busse, bevor sie Bildungssenatorin wurde, lange an einer Grundschule nahe der Al-Nur-Moschee gearbeitet. „Dort bearbeiten Islamisten jedes Wochenende selbst die jüngsten Kinder“, sagt Förster. Busse sei für Klartext bekannt gewesen. „Die Gefahren radikaler Islamisten hat sie auch zuletzt noch offen benannt. Sie sollte sich von ihrem Staatssekretär und der Parteilogik der SPD nicht den Mund verbieten lassen“, meint Förster. Die Ausführungen Slottys bezeichnet er als „absoluten Offenbarungseid“. Der Senat verschließe die Augen vor religiösem Mobbing.

Er fordert Geld, um die Anlaufstelle für konfrontative Religionsbekundung aufbauen zu können. Die CDU-Fraktion werde sich dafür bei den Haushaltverhandlungen einsetzen. Der Staatssekretär kündigte dagegen eine wissenschaftliche Untersuchung an, falls es dafür finanzielle Mittel gebe. Die Studie solle „die Faktoren, die zu verbaler und nonverbaler Gewalt an Schulen führen, analysieren und Handlungsempfehlungen daraus ableiten“.

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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