Wenn jede Sekunde zählt
Dank neuer Handy-App Katretter konnten Ersthelfer 600 Leben retten
Durch die Ersthelfer-App Katretter der Feuerwehr konnte seit dem Start vor einem Jahr bereits über 600 Menschen noch vor Eintreffen des Rettungsdienstes wiederbelebt werden.
Wenn das Herz stehen bleibt, zählt jede Sekunde. In Berlin hört es bei rund 2600 Menschen jährlich auf zu schlagen. Nur jeder Zehnte überlebt einen Herz-Kreislauf-Stillstand ohne bleibende Schäden. Das wichtigste ist, dass unmittelbar nach Herzstillstand und vor dem Eintreffen des Rettungsdienstes mit einer Herzdruckmassage begonnen wird. Wie wichtig schnelles Handeln ist, hat auch der Fall des dänischen Fußballers Christian Eriksen gezeigt, der beim Auftaktspiel zur Fußball-Europameisterschaft Anfang Juni einen plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillstand erlitt. Dank sofortiger Herzdruckmassage konnte Eriksens Leben gerettet werden.
Um Ersthelfer in der Nähe zur Hilfe schicken zu können, hat die Berliner Feuerwehr vom Fraunhofer Institut für Offene Kommunikationssysteme (FOKUS) eine Smartphone-App entwicklen lassen. Mit Katretter werden registrierte Ersthelfer alarmiert. Seit der offiziellen Inbetriebnahme des Systems im Oktober 2020 haben sich bereits 7000 Ersthelfer registriert. „Langfristig möchten wir mindestens ein Prozent der Berliner Bevölkerung, also 40 000 Menschen, als Ersthelfende gewinnen“, sagt Dr. Stefan Poloczek, Ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes der Berliner Feuerwehr.
Im letzte Jahr wurden 10 000 Notrufe an die Handys geschickt. In über 5000 Fällen waren alarmierte Erstretter vor dem Notarzt am Einsatzort. 600 Kollabierte konnten durch Herzdruckmassage zurück ins Leben geholt werden. Bei den anderen etwa 4600 Einsätzen war eine Reanimation nicht mehr erforderlich oder möglich, weil der Patient entweder schon wieder bei Bewusstsein oder bereits tot war.
Und so funktioniert es: Wenn bei der Feuerwehr ein Notruf eingeht, der auf einen Herzstillstand schließen lässt, werden neben dem professionellen Rettungsteam auch die registrierten Katretter informiert, die sich in der Nähe befinden. Auf dem Handy ertönt ein lauter Alarmton. Die Helfer haben 30 Sekunden Zeit, den Alarm anzunehmen. Alarmiert werden registrierte Katretter im Umfeld von 500 Metern in der Innenstadt und 1000 Metern am Stadtrand. Wer den Notruf annimmt, bekommt die Adresse und weitere Informationen aufs Handy geschickt.
Das System basiert auf Freiwilligkeit. Die registrierten Katretter können Alarme auch ablehnen, indem sie den 30-Sekunden-Countdown ablaufen lassen. Für die Einsätze gibt es keine Vergütung. Jeder kann sich registrieren, eine medizinische Qualifikation ist nicht nötig. Die Helfer sollten lediglich volljährig sein und sich eine Wiederbelebung zutrauen. „Wir haben die Zugangsvoraussetzungen bewusst niedrig gehalten“, sagt Feuerwehrsprecher Tino Brabetz. „Es ist immer besser, wenn jemand erstmal mit der Herzdruckmassage beginnt, auch wenn sie laienhaft ist, als wenn gar nichts passiert“, so Brabitz. Die Erstretter überbrücken wertvolle Minuten, bis der Notarzt da ist. Bei der Feuerwehr dauert es im Schnitt acht bis zehn Minuten, bis die professionellen Retter kommen.
Die Katretter-App soll mit neuen Funktionen erweitert werden. Das Entwicklerteam will zum Beispiel mehrere Sprachen hinzufügen und die Standorte öffentlicher Defibrillatoren anzeigen. Denn die Elektroschock-Geräte liegen an vielen Orten wie in Kaufhäusern, Bürogebäuden oder Pförtnerlogen. Der Arbeiter-Samariter-Bund hat Hunderte Defi-Standorte auf www.berlin-schockt.de aufgelistet. Künftig sollen Erstrettern im Alarmfall Defis in der unmittelbaren Nähe des Einsatzortes angezeigt werden. Das von Berlins Feuerwehr entwickelte Katretter-System testen unter anderem die Landkreise Lippe und Anhalt-Bitterfeld, die Leitstelle Lausitz, der Main-Kinzig-Kreis und die Regionalleitstelle Brandenburg.
Informationen unter www.berliner-feuerwehr.de/ihre-sicherheit/praevention/katretter und www.berlin-schockt.de, Details zur rechtlichen Lage unter https://katretter.de/katretter-hilfe.php.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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