Bauen: Baukollegium-Votum löst Kopfschütteln im Bezirksamt und bei AG City aus
Blankes Unverständnis
Der Immobilien-Riese und Karstadt-Eigner Signa Real Estate hat dem Baukollegium Neugestaltungspläne für den Kurfürstendamm 231 präsentiert. Der aufwendigen Präsentation folgte die Ernüchterung, das Gremium lehnte das Konzept von drei Hochhäusern jenseits der 100-Meter-Marke ab.
Ursprünglich plante Signa auf dem Grundstück, das vom Kurfürstendamm, der Ranke- und der Augsburger Straße eingefasst wird, ein gewaltiges Einkaufscenter mit 250 Geschäften, verteilt auf sieben Geschosse. Dafür gibt es seit Februar 2017 einen positiven Bauvorbescheid. Auf Drängen des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller und Innensenators Andreas Geisel (beide SPD), die Funktion des Gebäudes an dieser zentralen Stelle noch einmal zu überdenken, sei man dann von der „Mall of Ku’damm“ abgerückt, erklärte Timo Herzberg von Signa, und habe sich um einen Funktionsmix mit mehr öffentlicher Attraktivität bemüht.
Fünf Varianten stellte das Unternehmen dem Baukollegium vor. Merklich präferiert: Drei 100, 120 und 150 Meter messende Hochhäuser grenzen die Sockelgeschosse mit 50 000 Quadratmetern Einzelhandelsfläche ein. Ein Turm soll als Hotel dienen, die anderen beiden sollen Platz für Büros größerer Firmen, kleinerer Start-Ups und Co-Working sowie Anbieter aus den Bereichen Gesundheit, Technologie und Kultur bieten.
Große Bedenken
Das Baukollegium lehnte das Konzept ab. „Wir haben große Bedenken, ausgerechnet an dieser Stelle des Ku’damms mit seiner intakten Blockrandstruktur mit einem Hochhaus-Cluster zu beginnen“, begründete Senatsbaudirektorin und Baukollegiumsvorsitzende Regula Lüscher die Reaktion. „Ich sag das mal ganz lapidar: Wir haben das Gefühl, dass es wahnsinnig aufgeblasen ist, mit sehr viel Einzelhandelsfläche, die schwer zu bespielen ist. Und damit sie zu bespielen ist, wird oben draufgepackt.“ Herzberg erinnerte daran, dass sich die Bruttogeschossfläche für den Einzelhandel im Vergleich zur bisherigen Nutzung um die Hälfte reduziere.
Er habe aber ein stückweit mit der Reaktion gerechnet. „Ich denke, das war der Auftakt zu einem produktiven Dialog. Wir halten unser Konzept nach wie vor für richtig.“ Bei der AG City stieß die Ablehnung auf blankes Unverständnis. Baustadtrat Oliver Schruoffeneger forderte eindringlich die überfällige politische Debatte über die generelle Hochhausplanung des Bezirks.
Die von den Vertretern der Signa vorgetragenen Elemente des Konzeptes als Reaktion auf die Anforderungen der wachsenden Stadt, die Veränderungen der Lebens- und Arbeitswelten durch die Digitalisierung, den Wunsch nach Stärkung der Aufenthaltsqualität im innerstädtischen Raum und die Erhaltung beziehungsweise den Ausbau der Nutzungsvielfalt in der City West seien bei der Entscheidung des Baukollegiums weder gewürdigt noch berücksichtigt worden, beschwert sich die AG City, ein Zusammenschluss von Geschäftsleuten der City West, in einer Pressemitteilung.
„Über die Anzahl der Türme und die Positionierung lässt sich sicherlich noch diskutieren, aber die Pläne aufgrund der am Ku’damm vorherrschenden Traufhöhe komplett abzulehnen, ist für uns nicht nachvollziehbar“, so Klaus-Jürgen Meier, Vorstandsvorsitzender der AG City. Man werde Signa weiterhin dabei unterstützen, ihr Konzept für diesen Standort durchzusetzen.
Baustadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) missfällt indes des Status quo der Diskussionsgrundlage, nicht erst seit dem Baukollegium. Warum, das wiederholte er während der Bauausschusssitzung am vergangenen Mittwoch: „Die Senatsbauverwaltung vertrat bislang immer die Position, der noch fehlende Hochhausentwicklungsplan hindere den Bezirk nicht daran, in Einzelfällen zu entscheiden.
Gesamtkonzept im Blick haben
In diesem Fall hat das Baukollegium nun einen Bauentwurf einhellig mit der Begründung abgelehnt, das könne nicht für ein Einzelgrundstück entschieden werden, das Vorhaben müsse in ein Gesamtkonzept mit Hochhausentwicklungsplan integriert werden. Diese Diskussion lässt mich mittlerweile etwas hilflos zurück.“
Auf die Frage des FDP-Ausschussmitglieds Johannes Heyne, wie sich denn der Bezirk zu den Signa-Plänen positioniere, sagte der Baustadtrat: „Ich laufe seit anderthalb Jahren durch die Stadt und sage, dass es für den Bezirk keinen Sinn macht, sieben verschiedene Hochhausprojekte einzeln zu betrachten, denn sie stehen im Zusammenhang.“ Derzeit stünden die Hochhäuser im Bezirk auf zwei Achsen, im Norden auf der Linie Hansaviertel und Novotel, im Süden auf der Linie Breitscheidplatz Urania. „Wenn man jetzt – so wie es die Senatsverwaltung plant – an der Hertzallee fünf Hochhäuser baut und vielleicht auf dem Karstadt-Areal noch einmal welche, dann wird aus diesen zwei Achsen eine geschlossene Fläche. Das kann man wollen, muss es aber gesamtstädtisch diskutieren.“ Fehle diese Diskussion, sei es schwer, sich eine Meinung über ein einzelnes Projekt zu bilden.
Weil man schnell diese Hängepartie verlassen wolle, habe er dem Bezirksamt vorgeschlagen, Regula Lüscher schriftlich anzubieten, nach den Landesleitlinien für Hochhausbau einen bezirklichen Plan zu fertigen. „Der Senat trifft dann hierzu einen Beschluss, nach dem er sich nicht mehr einmischt. Wir müssen dann aber auch finanzielle Ressourcen von der Stadtentwicklungsverwaltung für Gutachten, Planungsprozesse und Veranstaltungen erhalten“, sagte Schruoffeneger.
Autor:Matthias Vogel aus Charlottenburg |
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