Supermarkt-Ketten überdenken Nutzung ihrer Grundstücke
Aldi, Lidl und auch Edeka steigen wohl in den Wohnungsmarkt ein. Im Rathaus wird die Idee begrüßt, hinter den Kulissen werden gerade mit den Konzernen Chancen und Risiken ausgelotet.
Aldi Nord hat kürzlich angekündigt, 2000 Wohnungen an 30 Standorten in Berlin zu bauen. 30 Prozent davon im sozialen Wohnungsbau, mit Mietpreisen von 6,50 Euro nettokalt pro Quadratmeter. Das Modell, die eingeschossigen Filialen mit Wohnungen zu überbauen, könnte Schule machen. Im Bezirk hat bislang nur Lidl konkrete Absichten geäußert. Am Standort Gervinusstraße 30 wird außer über Wohnungen auch über eine neue Kita nachgedacht. Der Bezirk ist an bezahlbarem Wohnraum interessiert und die Konzerne an der Partizipation auf dem lukrativen Wohnungsmarkt.
Vor diesem Hintergrund versuchen Politik und Wirtschaft, weitere Interessen voranzutreiben. „Die Märkte hätten gerne mehr Verkaufsfläche als die baurechtlich erlaubten 800 Quadratmeter. Da sind wir gesprächsbereit, allerdings müssten sie dann ihr System ändern“, sagt Oliver Schruoffeneger (B’90/Grüne). In Ermangelung eigener Lagerfläche würden die Märkte alle zwei Stunden beliefert. „Wenn größer, dann auch mit Lager. Wir wollen nicht, dass sich der Lieferverkehr verdoppelt.“ Der Stadtrat hat vorgeschlagen, als eine Art soziale Gegenleistung für das Plus an Verkaufsfläche auch einen Mittagstisch für Senioren einzurichten, zu moderaten Preisen. „Die Menschen werden immer älter, gehen nicht mehr raus, vereinsamen. Mit solchen Orten der Kommunikation könnte dieser Entwicklung entgegengewirkt werden.“ Für Schruoffeneger ist die Diskussion auch eine konzeptionelle: „Die Supermärkte müssen zusehen, wie sie die Kunden künftig binden. Wegen des demografischen Wandels und der Online-Konkurrenz werden sie in der Innenstadt in 20 Jahren nicht mehr die gleiche Funktion der Grundversorgung haben wie heute.“ Benachbarte Senioren, die in der Kantine bei Lidl oder Aldi die Gemeinschaft suchen, danach ihre Lebensmittel besorgen und sich von einem der Fahrradboten des Marktes ihren Einkauf nach Hause bringen lassen? Zukunftsmusik, aber für den Stadtrat eine realistische. Bei der Umsetzung ihrer Pläne ist für die Lebensmittelkonzerne eins wichtig: Wie sehen Übergangslösungen während der Bauzeit aus? An umsatzstarken Standorten wird sicher nicht gerne zwei Jahre auf Einnahmen verzichtet.
Autor:Matthias Vogel aus Charlottenburg |
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