Eine gute Seele aus Oberbayern
Ernst Peter Berchtold setzt sich für benachteiligte Kinder ein

Ernst Peter Berchtold war nicht leicht als Protagonist für den Kiez-Kompass zu gewinnen: Es gehe doch um die Kinder, nicht um ihn. Letztendlich hat das oberbayerische Original doch von sich erzählt, und das ist gut so. Denn an ihm lässt sich gut ein Beispiel nehmen.

Berchtold steht von seiner Bierbank beim Kinderfest vor dem Zweirad-Center Stadler in der Königin-Elisabeth-Straße auf. Er reicht die Hand: „Servus. Jetzt kriagst erst amoi a Leberkassemmel“, sagt er und ist auch schon unterwegs. Obwohl der 72-jährige Bad Tölzer schon seit einer Ewigkeit in Berlin lebt, hat er seinen Dialekt nicht abgelegt.

Warum er heute hier ist? Er hat kräftig mitgeholfen, das Fest von „Dare“ zu organisieren – eine Stiftung, die schwerst traumatisierten und seelisch kranken, fremd untergebrachten Kindern hilft. Das ist ihm gut gelungen. Eine Hüpfburg steht auf dem Parkplatz, Radio Teddy ist da und organisiert die Verlosung von Jugendfahrrädern, es gibt Popcorn, Leckeres vom Grill und Berchtolds Frau Martina verkauft eifrig Lose für die Tombola. „Es gibt nichts Schöneres, als das Lächeln von Kindern“, sagt er.

Berchtold ist Experte darin, es ihnen auf das Gesicht zu zaubern. Ein Versprechen in frühester Kindheit hat ihn dazu gemacht: Als er sechs Jahre alt war, starb seine Mutter. „So etwas wie allein erziehende Väter gab es damals nicht, also kam ich ins Waisenhaus des Klosters Benediktbeuern“, sagt er. Weil es dort häufiger Schläge als etwas zu essen gab, habe er sich geschworen, sich für Kinder stark zu machen, wenn er einmal groß ist.

1958, im Alter von elf Jahren, konnte Berchtold das Waisenhaus verlassen. Ein paar Jahre später trat er eine Lehre als Industriekaufmann an und absolvierte sie erfolgreich. Der Wehrdienst verschlug ihn dann nach Berlin und von 1974 an arbeitete er als Busfahrer für die BVG. Parallel begann er, nach seinem Schwur zu leben. Für die Deutsche Schreberjugend organisierte er von 1980 bis 1997 Zeltlager für sozial benachteiligte Kinder, fuhr mit ihnen in den Hansa-Park nach Soltau oder ins Disneyland nach Paris. 1990 wurde er ehrenamtlicher Landesjugendleiter der Deutschen Schreberjugend und im Anschluss an seine Zeit bei der BVG wurde er dort Geschäftsführer, hauptamtlich. Er zeichnete für den Betrieb des Gästehauses in der Franz-Künstler-Straße in Kreuzberg verantwortlich. An der Ecke zur Alten Jakobstraße hatte er einen Kinderbauernhof eingerichtet. Jedes Kind hatte ein Tier zur Pflege. Und wer sich pflichtbewusst sorgte, durfte mit ins jährliche Zeltlager in die Oberpfalz. „Ich habe die erste Kuh nach Berlin gebracht. Wir haben den Kindern gezeigt, dass die Milch aus dem Euter und nicht dem Tetrapack kommt“, sagt Berchtold und lacht. Später stellte er Lichterfahrten zu Weihnachten auf die Beine, lieh sich dafür einen Bus vom Ex-Arbeitgeber aus und kutschierte mit den Kindern durch Berlin. "Einmal", so kramt er in seinen Erinnerungen, "haben wir sogar Haflinger-Pferde mit ins Zeltlager genommen.“

Seit 2012 ist Ernst Peter Berchtold im wohlverdienten Ruhestand. Seinem Schwur von einst bleibt er so treu wie dem oberbayerischen Dialekt. Als sein „Spezi“, Josef Zimmerer, Niederlassungsleiter vom Zweirad-Center Stadler und ebenfalls Bajuware, ihn um Unterstützung bat, die Stiftung wiederzubeleben, zögerte Berchtold nicht lange. Und sein Engagement zahlte sich schon bei der ersten Veranstaltung, besagtem Kinderfest, aus. „Alle 500 Lose wurden verkauft“, freute er sich.

Zimmerer hat prompt um Berchtold als neuen Vorsitzenden der Stiftung geworben, denn Gründer Christian Coenen scheidet aus dem Amt und der Stiftung aus. Mit Erfolg, kürzlich ließ sich Berchtold ernennen. Eine seiner ersten Amtshandlungen wird sein, den Sitz der Stiftung von Erfurt nach Berlin zu holen. Dann soll sie umbenannt werden, von "Dare" in "Kinder sind uns wichtig". Abseits der Bürokratie will sich der lebensfrohe Rentner weiter mit Leib und Seele für die Schwachen einsetzen: „Und das sind in unserer Gesellschaft leider ganz häufig die Kinder.“

Autor:

Matthias Vogel aus Charlottenburg

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