Brücken des Miteinanders stärken: Bürgermeister Reinhard Naumann (SPD) im Interview

Innere Sicherheit stärken, Mietsteigerung dämpfen: Reinhard Naumann stellt sich auch nach der Wahl den drängenden kommunalpolitischen Problemen. | Foto: Thomas Schubert
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Charlottenburg-Wilmersdorf. Kaum hatte seine zweite Amtszeit als Rathauschef begonnen, da stand Reinhard Naumann vor seiner wichtigsten Bewährungsprobe: Der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz wirkt 2017 ebenso nach wie das Ergebnis der Berlin-Wahl am 18. September.

Mit Reporter Thomas Schubert sprach der wiedergewählte Bürgermeister von Charlottenburg-Wilmersdorf über die Folgen des Attentats, das Erstarken der AfD und seine Hoffnungen für das neue Jahr.

Was bedeutet der Anschlag auf den Breitscheidplatz am 19. Dezember für das Zusammenleben im Bezirk?

Reinhard Naumann: Das Ziel der Terroristen ist es, unsere Demokratie, unsere Freiheit, unser Lebensgefühl zu treffen, ja zu zerstören. Ich bin beeindruckt von der Stimmung in der Stadt, dem entschlossen entgegenzutreten. Mehr denn je gilt es jetzt, einerseits mit Blick auf die Vielfalt der Religionen im Bezirk die Brücken des Miteinanders zu stärken. Andererseits sind alle rechtssicheren Mittel zu nutzen, um den Tätern und ihrem radikalen Umfeld das Handwerk zu legen.

Welcher Wahlsieg hat besser geschmeckt: 2011 oder 2016?

Reinhard Naumann: Politisch gesehen ist die Wahl am 18. September 2016 bedeutsamer gewesen. Ich habe im Wahlkampf auf Urlaub verzichtet, wollte für meine Partei das bestmögliche Ergebnis erzielen und die AfD möglichst schwach halten. Dass sie bei uns im Bezirk keinen Stadtrat stellen kann, halte ich für einen nachhaltigen Erfolg. Die City West hat klug gewählt.

Wird Ihnen die Arbeit unter einem rot-rot-grünen-Senat leichter fallen als unter Rot-Schwarz?

Reinhard Naumann: Es ist gut, dass die Grünen jetzt fünf Jahre Zeit haben werden, endlich einmal Regierungsverantwortung zu tragen. Eine Große Koalition in Berlin, einer Stadt mit so großer Vielfalt, muss aus meiner Sicht eine Ausnahme sein. Ich teile die Einschätzung, dass die neue Regierung eine Reformregierung ist. Und in wesentlichen Politikfeldern werden wir mehr Gemeinsamkeiten haben zwischen Land und Bezirk als das unter Rot-Schwarz der Fall war.

Warum haben die Grünen im Bezirksamt das Stadtentwicklungsressort bekommen?

Reinhard Naumann: Die SPD ist stärkste Fraktion und hat den Zugriff auf das Bürgermeisteramt. Als nächstes hatten die Grünen das Zugriffsrecht. Deren interne Entscheidung war keineswegs einmütig. Es gab starke Befürworter der bisherigen Zuordnung der Ressorts. Aber bei den Verhandlungen der Zählgemeinschaft wurde klar, dass die Grünen für diesen Wechsel vom Bereich Jugend und Schule zum Bereich Stadtentwicklung votieren werden.

In der Zählgemeinschaftsvereinbarung steht das Thema bezahlbares Wohnen weit oben. Wie kann der Bezirk ankommen gegen steigende Miete in der wachsenden Stadt?

Reinhard Naumann: Wir wollen schnell Milieuschutzgebiete ausweisen. Aber ein Allheilmittel ist das leider nicht. Das Thema Wohnen muss auch auf Landes- und Bundesebe angegangen werden. Denn die Mietpreisbremse ist zwar richtig, aber in ihrer Wirkung noch zu stumpf. Zum Ziel führt nur der Dreiklang von Maßnahmen auf nationaler Ebene, im Land und im Bezirk. Letztlich brauchen wir auch eine Entlastung auf dem Wohnungsmarkt durch zusätzlichen Wohnungsbau mit bezahlbaren Mieten. Er wird aber eher in den Außenbezirken stattfinden als im schon dicht bebauten Zentrum.

Was bedeutet es für Sie, wenn die AfD in Charlottenburg-Nord bei Wahlen ähnlich gut abschneidet wie die SPD?

Reinhard Naumann: Wir sprechen da von drei Stimmbezirken. Und es bedeutet eine nachhaltige Herausforderung, die nicht mit aktionistischen Maßnahmen beantwortet werden kann. Wir wissen aus anderen Städten, dass dort, wo sich Menschen abgehängt fühlen oder es in der Tat sind, populistische Scheinlösungen verfangen. Was die soziale Infrastruktur angeht, müssen wir das Rad nicht neu erfinden. Wir lassen in den Charlottenburger Norden schon jetzt überdurchschnittlich viel Geld fließen. Wichtig wird es sein, noch genauer hinzuhören und Sorgen von Bürgern so ernst zu nehmen, dass wir sie in konkretes politisches Handeln umsetzen können.

Worauf dürfen sich Bürger 2017 freuen?

Reinhard Naumann: Zum Beispiel auf die Kiezspaziergänge an jedem zweiten Sonnabend im Monat ab 14 Uhr. Es ist unglaublich, wie viel Neues es im Bezirk noch zu entdecken gibt. Es macht Spaß, Bürgern in dieser ungezwungenen Atmosphäre zu begegnen. Und seitdem es den Kiezspaziergang gibt, ist noch nie einer ausgefallen. Die Beliebtheit zeigt sich daran, dass Frau Lehmann, eine 100-jährige Bürgerin, fast immer mit dabei ist. Wir alle haben sie sehr ins Herz geschlossen. Alle Leserinnen und Leser, die noch nie am Kiezspaziergang teilgenommen haben, lade ich für das neue Jahr herzlich ein. Worüber ich mich 2017 persönlich freuen würde, das wäre ein Zurückgewinnen des gegenseitigen Respekts im Umgang miteinander. Jeder ist gefordert, innezuhalten und zu überlegen: Begegne ich den anderen im öffentlichen Raum so, wie ich von anderen behandelt werden möchte? Es gibt da leider einen Erosionsprozess der Rücksichtnahme. Den sehe ich kritisch. Deshalb wünsche ich mir, dass wir wieder weg vom Egoismus hin zu mehr Gemeinsinn kommen.

Autor:

Thomas Schubert aus Charlottenburg

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