Gezerre um Bio-Supermarkt weitet sich aus

Wo einst das Kino Kurbel Filmfreunde empfing, eröffnet am 25. April der Bio-Supermarkt Alnatura eine Filiale. Doch der Bau ist nach wie vor umstritten. | Foto: KEN
  • Wo einst das Kino Kurbel Filmfreunde empfing, eröffnet am 25. April der Bio-Supermarkt Alnatura eine Filiale. Doch der Bau ist nach wie vor umstritten.
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Charlottenburg. Wer einen Blick durch den Spalt in der Bauplane wirft, sieht einen schon fast fertig eingerichteten Supermarkt. Die Kassen sind installiert, die Regale aufgestellt und teilweise mit Waren gefüllt. Am Donnerstag, 25. April, will die neue Alnatura-Filiale am Meyerinckplatz eröffnen. In der unmittelbaren Nachbarschaft wird der Laden aller Voraussicht nach keine Kunden finden.

Die Anwohner, von denen sich viele in der Initiative "Bürger für das Quartier Meyerinckplatz" zusammengefunden haben, sind empört. Der Bio-Supermarktkette werfen sie vor, sich die Baugenehmigung erschlichen zu haben, indem sie gegenüber den Behörden einen viel geringeren Lieferumfang, nämlich nur fünf bis acht Anlieferungen pro Woche, gemeldet hatte. Danach kündigte Alnatura eine Erhöhung der Fuhrenzahl auf 17 bis 19 an. Ein Gutachten, das die Bürgerinitiative eingeholt hat, besagt sogar, dass der Umfang von Anlieferungen bei Supermärkten dieser Größenordnung erfahrungsgemäß auf bis zu 34 Belieferungen pro Woche steigen kann. Die "Bürger für das Quartier Meyerinckplatz" kritisieren aber auch das Bezirksamt und den zuständigen Stadtrat Marc Schulte (SPD) scharf. Seine Behörde habe zunächst nicht das richtige Baugenehmigungsverfahren angewandt, was auch die Verwaltungsgerichte rügten, und später den Vorgang in ein "vereinfachtes Genehmigungsverfahren nach Paragraph 64 der Berliner Bauordnung" überführt. Es schreibt eine 15 Meter lange Ladezone vor. Doch von einer Bürgerbeteiligung an dem Verfahren will der Stadtrat nichts wissen. Er soll nicht einmal die betroffenen Anwohner noch die Bezirksverordneten über den "Coup" von Alnatura unterrichtet haben, so Beate Jensen, Ursula Keller und Marie M. Warburg von "Bürger für das Quartier Meyerinckplatz". "Eine Anhörung der Bürger ist aber beim Paragraphen 64 vorgesehen", sagt Ursula Keller. Und ein prominenter Mitstreiter, der Rechtsanwalt, Notar und Honorarprofessor an der Freien Universität Berlin, Peter Raue, schreibt in einem Brief an Bürgermeister Reinhard Naumann vom 12. April, dass die für dieses Bauvorhaben Verantwortlichen im Bezirksamt Fristen verstreichen ließen, "um auf diese Weise dem notwendigen Genehmigungsverfahren zu entgehen".

Die Bürgerinitiative hat die Fraktionen in der Bezirksverordnetenversammlung angeschrieben und Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Marc Schulte eingereicht. Sie fordert, die Betriebsgenehmigung für den Supermarkt so lange zu verweigern, bis das Genehmigungsverfahren abgeschlossen ist: ohne ein bereits vorher festgelegtes Ergebnis, mit einem Verkehrskonzept des Supermarkt-Betreibers sowie einer Anhörung der Bürger.

Die Bündnisgrünen haben in der jüngsten Sitzung des Wirtschafts- und Verkehrsausschusses erneut einen entsprechenden Antrag eingebracht. Die SPD stimmte dagegen, die CDU enthielt sich. Der Antrag war somit abgelehnt, ebenso ein ursprünglicher Antrag der Grünen zum Thema.

Der Abstimmung war eine hitzig geführte Diskussion vorausgegangen. Stadtrat Marc Schulte verwies darauf, dass für das Genehmigungsverfahren Polizei und Straßenverkehrsbehörde befragt worden seien mit dem Ergebnis, dass das Verkehrsaufkommen am Meyerinckplatz "ganz unauffällig" sei. Der Stadtrat sieht in der Ladezone eine gute Lösung des befürchteten Verkehrsproblems und setzt auf weitere Auflagen für Alnatura, wie etwa die Einhaltung bestimmter Anlieferungszeiten. Schulte verspricht, dass das Ordnungsamt genau hinsehen werde und verweist darauf, dass die Bürger jederzeit das Recht haben zu klagen. Der Stadtrat verwahrte sich dagegen, ein "Erfüllungsgehilfe von Alnatura" zu sein.

Gegen Anschuldigungen verwahrt sich auch die Bio-Supermarktkette. In einer Stellungnahme vom 4. April heißt es: "Es ist nicht richtig, dass Alnatura bewusst falsche Angaben gegenüber den Behörden über die zu erwartende Zahl der Belieferungen gemacht hat." Man setze auf die Ladezone und wolle einen Flüsterbelag verlegen, um Rollengeräusche zu verringern. "Wir sind auch weiterhin für Gespräche mit Anwohnern über die Verkehrssituation vor Ort offen und informieren über wesentliche Veränderungen." Im selben Schreiben gibt Alnatura zu, dass es durchaus zu bis zu 34 Lieferungen pro Woche kommen kann, "zum Beispiel in Spitzenzeiten vor Feiertagen".

Karen Noetzel / KEN
Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

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