Bikini Berlin will das Einkaufen neu erfinden

Die schönste Seite des Bikini-Komplexes: Wie ein breiter Korridor erstreckt sich die Dachterrasse zwischen Zoo und Kirche. | Foto: Schubert
9Bilder
  • Die schönste Seite des Bikini-Komplexes: Wie ein breiter Korridor erstreckt sich die Dachterrasse zwischen Zoo und Kirche.
  • Foto: Schubert
  • hochgeladen von Thomas Schubert

Charlottenburg. Seit wenigen Tagen sind die Pforten offen und verblüffte Besucher gewiss. Als erste Concept Mall der Nation will sich Bikini Berlin verstanden wissen. Und zum Konzept gehört es auch, dass man Spaß haben kann, ohne zu kaufen.

Auf dem Pavianfelsen unten im Zoo bricht ein Aufruhr los, da strecken zwei Freundinnen die Beine auf der Bank aus. "Das ist schon eine Überraschung", raunt Elfriede Rosengart. Und Bärbel Ciachowski muss nicken. "Ich weiß noch wie heruntergekommen das Ganze war. Und nun sitzen wir hier."

Hier - das ist die neue Dachterrasse des Bikini Berlin. Freier Blick auf Tiergehege, Bänke mit Liegefunktion, klingende Glocken vom Breitscheidplatz. Dass die Öffentlichkeit willkommen sein würde, das hatten die beiden Damen gelesen. Aber tatsächlich einfach so auf privatem Grund daliegen, ohne dass ein Kellner kommt?

Bikini Berlin überrascht. Auf 17 000 Quadratmetern Fläche füllen Gastronomie und Einzelhandel das Haus - darüber wird noch gewerkelt, bis im Mai Büromieter Einzug halten. Die Baukosten? Sie dürften im dreistelligen Millionenbereich liegen. Wobei manche Besucher sich doch die Frage stellen, warum sie von unverputzten Betonwänden, freiliegenden Rohren und einer leicht gekünstelten Patina umgeben sind. "Wir werden das noch ausgiebig erkunden", verspricht Ciachowski, bleibt aber vorerst auf der Bank.

Wer die drei Verkaufsebenen betritt, wandelt auf Berliner Gehwegplatten, sieht eine fröhlich-verrückte Möblierung. Man beachte das Sofa, das auf Birkenholzstümpfen steht. Und natürlich bislang rar gesäte Geschäfte mit meist jugendlicher Mode und Nischenprodukten. Lindgrüne Stahlträger schaffen Bezüge zum Zoo. Scheinbar planlos verteilte Holzkisten verkünden das kesse Chaos des neuen Berlins.

Es sind keine kleinen Ansprüche, mit denen Bayerische-Hausbau-Geschäftsführer Kai-Uwe Ludwig vor der Gedächtniskirche antritt. Was Kunden im total sanierten 50er-Jahre-Denkmal finden? "Meisterhand und Maßarbeit für Sie, Sie und nochmals Sie."

Kundenorientierung soll sich von aufdringlicher Produktpräsentation befreien. Interaktion heißt das Schlüsselwort. Fühlbar wird es im "Supernova", einem Ladenlokal, in dem die Agentur Kemmler und Kemmler den Kunden im Auftrag von namhaften Konzernen zum Helden kürt. Verfolgt von 50 Kameras kann der Besucher hier auf eine Torwand zielen. Und findet sich nebenan in einem virtuell nachgebildeten Stadion zum Fußballstar verwandelt, kann diese Bilder via Internet herunterladen, mit Freunden teilen. "Wir leben im sozialen Zeitalter", sagt Betreiber Sebastian Kemmler. "Jetzt werden nicht mehr Produkte zu Ikonen, sondern Menschen." Was zähle, sei eine gute Geschichte.

Erfolgsgeschichten städtebaulicher Art kann nun Bürgermeister Reinhard Naumann verkünden. "Bruder Zoo Palast bekommt mit dem Bikini Berlin seine Schwester zurück", umschreibt er die neue Situation in der "Creative World" Charlottenburg. Jetzt hat sie also eine entsprechende Einkaufskultur. Und die geht oft wunderliche Wege.

Manches Geschäft löst sich sogar in Luft auf: Die hölzernen Pop-up-Stores setzen bewusst auf befristetes Kaufvergnügen - vergänglich wie jede Freude. "Shop different" heißt das Bikini-Berlin-Credo. Anders sein, das gilt auch für Werbemodels, die mit Zahnlücken und furchigen Gesichtern im Stadtbild hängen. Selbst den Teufel konnte man als Botschafter gewinnen. Der trägt jetzt angeblich nicht mehr eine Mailänder Nobelmarke - sondern Bikini.

Thomas Schubert / tsc
Autor:

Thomas Schubert aus Charlottenburg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Folgen Sie diesem Profil als Erste/r

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

PolitikAnzeige
Vernachlässigen Sie nicht Ihre Füße. Dieses wichtige Körperteil trägt uns durchs Leben.

Probleme und ihre Lösungen
Probleme rund um den ganzen Fuß

Haben Sie Ihren Füßen jemals gebührende Aufmerksamkeit geschenkt? Oft vernachlässigen wir sie, solange sie funktionieren und schmerzfrei sind. Sobald Beschwerden auftreten, wird uns die Bedeutung dieses komplexen Körperteils schlagartig bewusst. Unsere zertifizierten Fußchirurgen geben Ihnen Einblicke in die Anatomie des Fußes und behandeln gezielt Fehlstellungen und Verletzungen mit innovativen Lösungsansätzen. Erfahren Sie mehr über Fußprobleme wie Achillessehnenbeschwerden,...

  • Hermsdorf
  • 25.04.24
  • 25× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Chettinad finden Sie seit Herbst 2023 auch im Food Court im The Playce am Potsdamer Platz.
5 Bilder

Chettinad im Manifesto Market
Indien zu Gast im The Playce

Im ersten Oberschoss des populären Food Court im The Playce am Potsdamer Platz präsentiert sich seit Herbst 2023 auch das Restaurant Chettinad, das seine typisch indischen Spezialitäten somit an drei Berliner Standorten sehr eindrucksvoll präsentiert. Auch am Hotspot am Potsdamer Platz werden neben diversen landestypischen Suppen und Vorspeisen auch zahlreiche Hauptgerichte serviert, die ganz nach Belieben für eine kulinarische Reise der besonderen Art sorgen. Zu den Highlights zählen dabei...

  • Tiergarten
  • 24.04.24
  • 114× gelesen
WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 549× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.