Gedenktafel erinnert an illegale Einäscherungen durch die Stasi

12. August 2016
14:00 Uhr
Friedhof Baumschulenweg, 12437 Berlin
Im alten Krematorium Baumschulenweg wurden Maueropfer zu DDR-Zeiten anonym eingeäschert. | Foto: Museum Köpenick
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  • Im alten Krematorium Baumschulenweg wurden Maueropfer zu DDR-Zeiten anonym eingeäschert.
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Baumschulenweg. Das 1913 errichtete Krematorium an der Kiefholzstraße – 1995 abgerissen – wurde zu DDR-Zeiten unter Federführung des Ministeriums für Staatssicherheit für illegale Einäscherungen missbraucht. Künftig wird eine Gedenktafel daran erinnern.

Vor allem Maueropfer, die keine Verwandten hatten, wurden auf diese Weise „entsorgt“, wie die Stasi in ihren Unterlagen schreibt. Damit sollte verhindert werden, dass die DDR wegen der Mauertoten noch mehr in Misskredit geriet. Sogar Einwohner aus dem Westen der Stadt wurden in Baumschulenweg verbrannt, ihre Asche auf einem bis vor einigen Wochen unbekannten Gräberfeld verstreut.

Schicksal von Gerald Thiem

Christian Booß von der Stasiunterlagenbehörde hat einige dieser Fälle recherchiert. Darunter auch das Schicksal von Gerald Thiem (1928-1970). Der Baupolier aus Neukölln war am 7. August 1970 nach einem Trinkgelage in die Grenzanlagen geraten. Von Grenzern entdeckt, brach er im Kugelhagel zusammen. 177 Schuss wurden nach Aktenlage abgefeuert. Da das Verschwinden von Thiem im Westen Berlins nicht mit dem Grenzregime in Verbindung gebracht wurde, beschloss die Stasi, den Tod zu verschleiern. Der Neuköllner wird in Baumschulenweg namenlos eingeäschert, seine Asche auf dem Friedhof verstreut. Persönliche Habseligkeiten und der Ausweis wanderten ins Stasiarchiv und wurden dort nach dem Ende der DDR gefunden. Seine Verwandten erfahren erst 1994 von seinem tragischen Schicksal.

Fast in Vergessenheit geraten

Viele Jahre war die Stelle, an der die anonym eingeäscherten Toten beigesetzt wurden, unbekannt. Erst durch Nachforschungen in den vergangenen Monaten konnte die Stelle auf dem neuen Teil des Friedhofs Baumschulenweg ermittelt werden. Der Leiter des Krematoriums, der mit der Stasi zusammen gearbeitet hatte, war 1990 bei der Übernahme des Bezirks durch die neue demokratische Verwaltung bereits verschwunden. Mitarbeiter konnten keine Auskunft geben, weil sie vor anonymen Einäscherungen stets in den Feierabend geschickt wurden.

„Diese Opfergruppe wäre fast in Vergessenheit geraten, ihren Angehörigen fehlte viele Jahre ein Ort der Trauer. Mit der Gedenktafel wird dieser Trauerort nun geschaffen“, sagt Bürgermeister Oliver Igel (SPD). Die Einweihung der Tafel findet am 12. August um 14 Uhr auf dem Friedhof Baumschulenweg, Kiefholzstraße 222-236, statt. Es spricht unter anderem Roland Jahn, früherer DDR-Bürgerrechtler und Leiter der Stasiunterlagenbehörde. RD

Autor:

Ralf Drescher aus Lichtenberg

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