Kompletter Haushalt im Eiltempo: In Notunterkunft normalisiert sich der Alltag

2. November 2015
19:00 Uhr
Notunterkunft Mertensstraße, 13587 Berlin
Kleider und weitere Betten warten auf ihren Einsatz. Florian Börner organisiert den Alltag mit. | Foto: Ulrike Kiefert
  • Kleider und weitere Betten warten auf ihren Einsatz. Florian Börner organisiert den Alltag mit.
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Hakenfelde. 680 Flüchtlinge leben in der neuen Notunterkunft an der Mertensstraße. Nach der Nothilfe in den ersten Tagen normalisiert sich jetzt langsam der Alltag. Alles ist noch nicht optimal.

Seit knapp zwei Wochen sind 680 Flüchtlinge aus Syrien, Irak, Iran und Pakistan in der großen Halle der ehemaligen BAT-Tabakfabrik an der Mertensstraße untergebracht. Anfangs standen lediglich Ikea-Doppelbetten im Raum. Rund 200 Helfer des Technischen Hilfswerks, der Feuerwehr und der Bundeswehr hatten sie im Akkord in der Nacht zum 17. Oktober für die ersten 280 Flüchtlinge aufgestellt (wir berichteten). Mitarbeiter der Berliner Stadtmission, die die Einrichtung betreibt, kümmerten sich um Neuankömmlinge, verteilten Bettwäsche, richteten eine provisorische Essensausgabe ein, organisierten Tische, Bänke und mobile Toiletten. Ein kompletter Haushalt musste in wenigen Tagen aufgebaut werden, nur eben im Eiltempo und für den Massenbetrieb.

„Wir hatten lediglich 48 Stunden Zeit, um uns darauf vorzubereiten“, sagt Leiter Florian Börner. Denn von der Einquartierung der Flüchtlinge in der Fabrikhalle wurde die Berliner Stadtmission ebenso überrascht wie die Spandauer. Die Stadtmission der Evangelischen Kirche ist allerdings nicht unerfahren. Sie betreibt auch die Traglufthallen-Unterkunft in Moabit und konnte für die Organisation der Nothilfe in Spandau auf ein funktionierendes Netzwerk zurückgreifen.

Nach dem Stress der ersten Tage normalisiert sich zwar langsam der Alltag. Arbeit gibt es dennoch genug. „Jetzt geht es darum, das praktische Leben der Bewohner zu organisieren“, sagt Florian Börner. Vor allem muss ein klein wenig Wohnlichkeit in die riesige, schmucklose Fabrikhalle gezaubert werden. Noch stehen die Betten in Reih und Glied. Jetzt sollen Bauzäune herangeschafft und als Sichtschutz mit Tüchern und Planen behangen werden, damit wenigstens ein bisschen Intimsphäre für die Männer erhalten bleibt. Frauen und Kinder sind bereits geschützt untergebracht.

Drinnen in der Halle hat sich auch schon ein Stapel an Kleidung gebildet. Die Spandauer bringen Pullover, Winterjacken, Kinderschuhe und Bettwäsche. Dringend gebraucht werden auch ungetragene Unterwäsche und Strümpfe. Sozialarbeiter der Stadtmission und ehrenamtliche Sprachmittler sind vor Ort. Ein Caterer liefert zwei Mal täglich warmes Essen und ein höflicher Sicherheitsdienst kontrolliert den Eingang.

Florian Börner ist mit dem Start und der Hilfsbereitschaft der Spandauer zufrieden. „Mehr Flüchtlinge können wir aber erst einmal nicht aufnehmen“, sagt er. Die Großunterkunft, die mindestens ein Jahr bleiben soll, ist eigentlich für 1000 Plätze ausgelegt. Doch damit wäre der Betreiber überfordert. Mehr Helfer, Dolmetscher und Ärzte werden gebraucht. Auch die Registrierung der Flüchtlinge funktioniert nicht reibungslos. Bei ihrer Ankunft werden sie zwar erfasst. „Viele wollen aber gleich weiter in andere Bundesländer. Wir wissen also wer kommt, aber nicht, wer geht.“ Auch an Sanitäranlagen mangelt es. Im Gebäude selbst gibt es nur zwölf Toiletten und Duschen. Dazu wurden 40 mobile Toiletten geordert. Sechs weitere Sanitärcontainer sollen folgen. Ein Sportverein gegenüber hat den Flüchtlingen netterweise erlaubt, seine Duschen und Toiletten mit zu nutzen. Was noch fehlt und im Aufbau ist, sind eine Kinderbetreuung, Deutschkurse und Freizeitangebote gegen die Langeweile.

Erfreut über die große Hilfsbereitschaft der Spandauer ist auch Thorsten Schatz. Der integrationspolitische Sprecher der CDU-Fraktion war einer der ersten Politiker vor Ort. „Diese Hilfsbereitschaft muss aber auch koordiniert werden, damit wir nicht bei jeder neuen Unterkunft bei Null beginnen.“ Der Bezirk brauche darum dringend eine zentrale Koordinierungsstelle.

Mehr Infos über die Flüchtlingsunterkunft erhalten Anwohner am 2. November um 19 Uhr direkt vor Ort an der Mertensstraße 63, Eingang über Goltzstraße. Auf dem Podium sitzen Sozialsenator Mario Czaja (CDU), Bürgermeister Helmut Kleebank (SPD) und die Stadtmission. uk

Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

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