„Anfang der 1930er Jahre lebten in Berlin und anderen deutschen Großstädten infolge der prekären wirtschaftlichen Verhältnisse tausende Jugendliche auf der Straße. Sie verdingten sich als Tagelöhner und Laufburschen, aber häufig führte ihr Weg sie auch in die Kriminalität oder Prostitution.
Zuflucht und ein wenig Sicherheit und soziale Wärme fanden sie in selbstorganisierten Cliquen. Sie boten aber nicht nur Schutz, sondern waren auch Ausdruck einer proletarischen Jugend-Subkultur. In stillgelegten Fabrikbaracken traf man sich, trank, tanzte und pflegte einen Lebensstil, der durch den Hass auf die bürgerliche Gesellschaft und die Welt der Erwachsenen geprägt war.
In diesem heute vergessenen, aber gut dokumentierten Milieu ist dieser von Ernst Haffner geschriebene und unter den Nazis verbotene und bei den Bücherverbrennungen öffentlich zerstörte Roman angesiedelt.
Im Mittelpunkt stehen zwei aus Erziehungseinrichtungen geflüchtete Jugendliche und die Clique der "Blutsbrüder", der sie sich nach ihrer Ankunft in Berlin anschließen. Erst glücklich, dort aufgenommen worden zu sein, realisieren sie bald, dass sich die "Blutsbrüder" unter der Leitung ihres Anführers immer mehr zu einer professionellen Bande entwickeln, die mit Einbrüchen, Laden- und Trickdiebstählen ihre Existenz sichern.
Beide probieren sich mit aller Kraft gegen ihr Schicksal zu stemmen und sich eine bescheidene, aber unabhängige Existenz aufzubauen.“
Ab November 1934 erweiterte sich das KZ Columbia vom Ort des frühen Terrors, einer Haft- und Folterstelle für politische Gegner überwiegend aus der organisierten Arbeiterbewegung und ihrem Umfeld, zum KZ für Pfadfinder, Stricher, Diebe, katholische Priester und andere Menschen, die vorher gar nicht im Fokus der SS und der Geheimen Staatspolizei waren. Viele von ihnen wurden noch ein Jahr zuvor in die Arbeitshäuser verwiesen. Es waren minderjährige Jungen, die, aus der Fürsorge entflohen, der Prostitution oder des Diebstahls verdächtig waren. Sie waren mit dem Vorwurf der „homosexuellen Betätigung“ konfrontiert. Das KZ Columbia bestand bis zum 5. November 1936.
Das Buch „Blutsbrüder“ führt in die Welt eben dieser ausgestoßenen Jugendlichen.
Renata Brcan liest ausgewählte Texte. Isabel Neuenfeldt spielt dazu Lieder von Tom Waits
am Sonnabend, 29.10.2016,
Beginn: 20.00 Uhr (Einlass: 18.00 Uhr),
Ort: Dodo, Großbeerenstr. 32
Wir danken der Aufbau Verlagsgruppe für die freundliche Unterstützung.Lesung "Blutsbrüder" am 29.10.
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