Hildegard und Manfred Harter feierten ihre Gnadenhochzeit
Staaken. Manfred Harter steht kerzengerade in der Tür. "Sie haben sich nicht verändert", sagt er zur Begrüßung. "Sie aber auch nicht."
Gleiches gilt für Ehefrau Hildegard, die im Wohnzimmersessel sitzt. Auf dem Tisch und dem Boden befinden sich viele Blumensträuße. Sie verweisen auf ein seltenes Fest, das das Paar einige Tage zuvor feiern konnte. Am 23. Januar waren Hildegard (97) und Manfred Harter (90) 70 Jahre verheiratet und begingen ihre Gnadenhochzeit.
Ihre hohen Ehejubiläen waren schon in der Vergangenheit immer wieder Anlass für einen Besuch. Auch über den wahrscheinlich nicht mehr zu übertreffenden Rekord, den die Familie Ende 2010 aufstellte, haben wir berichtet. Damals waren Hildegard und Manfred sowie ihre Tochter Monika (69) insgesamt 216 Jahre Mitglied beim TSV Staaken.
Sensationelle Sprungkraft
Nicht nur deshalb hat der Sport im Leben des Paars eine wichtige Rolle. Im Verein haben sie sich auch kennen gelernt. Hildegard Harter ist dem TSV 1930, ihr Mann vier Jahre später beigetreten. Schon mit 15 Jahren spielte sie bei den erwachsenen Handballerinnen. Vor allem ihre Sprungkraft galt als sensationell. Manfred Harter war dort ebenfalls als Handballer sowie als Faustballer aktiv.
Bis die beiden ein Paar wurden, dauerte es aber noch einige Zeit. "Ab 1942 waren wir zusammen." Danach musste Manfred zum Arbeitsdienst und in den Krieg, es folgte eine längere Trennung. Als er im Sommer 1945 nach kurzer Gefangenschaft wieder zurückkehrte beschlossen sie, sehr schnell zu heiraten.
Gespendeter Hochzeitsschmaus
Wenn die Harters von ihrer Hochzeit am 23. Januar 1946 erzählen, wird noch einmal deutlich, welche Not und Entbehrungen damals herrschten. Kleid und Anzug für Braut und Bräutigam waren aus anderen nicht mehr benötigten Textilien angefertigt worden. Den Weg zurück vom Standesamt im Rathaus Spandau mussten sie zu Fuß zurücklegen. Die Kirche in Staaken konnte nicht beheizt werden, deshalb gaben sie sich ihr Jawort im Büro des Pfarrers. Und der Hochzeitsschmaus war ein gespendetes Kaninchen.
Nicht nur solche Erinnerungen machen das Ehepaar zu Zeitzeugen inzwischen fast eines Jahrhunderts. Zu ihnen gehören auch das Leben am Finkenkruger Weg, wo sie seit 1958 wohnen. Direkt vor ihrem Haus wurde drei Jahre später die Berliner Mauer gebaut. 1989 konnten sie dort ihren Fall beobachten.
In manchem war das Ehepaar auch nicht ganz typisch für ihre Generation. Etwa wenn sie berichten, dass sie beide berufstätig waren. Hildegard Harter arbeitete bis Kriegsende bei einer Firma in West-Staaken, die Eintrittskarten herstellte. Später war sie unter anderem als Fischverkäuferin sowie in einer Gärtnerei beschäftigt und danach im Büro der Kirchengemeinde. Und gemeinsam agierte das Paar einige Zeit als Filmvorführer im einstigen Capitol-Kino an der Eichholzbahn.
Sport für das Volksblatt
Manfred Harter fertigte nach dem Krieg zunächst Laubsägearbeiten an, war Graveur, ehe er als Fernmeldetechniker, sein erlernter Beruf, bei der Polizei landete. Dazu kamen einige Ehrenämter. Und ab 1948 hat er viele Jahre lang regelmäßig Artikel für das Spandauer Volksblatt geliefert. Zunächst manche Lokalgeschichten aus Staaken, später vor allem Berichte vom Handball.
Das alles klingt nach einem, trotz mancher Entbehrungen, spannenden und ereignisreichen Leben. Und vielleicht ist das eine Antwort auf die Frage, warum Hildegard und Manfred Harter bis heute nicht nur einen wachen und interessierten Eindruck vermitteln, sondern vor allem sehr viel Zufriedenheit ausstrahlen.
Auch der Sport als gemeinsame Leidenschaft hat dazu sicher beigetragen. Er sei auch für eine Notlüge verantwortlich gewesen, mit der ihre Ehe begonnen habe, erinnert sich das Paar. Die Hochzeit fand damals etwas ungewöhnlich an einem Mittwoch statt. Die Familie verstand das nicht und hätte den darauffolgenden Sonnabend vorgezogen. "Wir haben erzählt, da hätte es keinen Termin beim Standesamt mehr gegeben." Was nicht stimmte. Vielmehr fand an diesem Tag der Spandauer Sportlerball statt. Den wollten Hildegard und Manfred Harter unbedingt besuchen. Und zwar schon verheiratet. tf
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.