Bürgermeister besuchte die erste Migrationsfamilie
Ihre offene Herzlichkeit haben Tayfun und Harika Sertcan auch im eher reservierten Deutschland nicht verloren. Auf der verglasten Terrasse ihres Hauses an der Iserlohner Straße sitzen die Gäste in weichen Polstern. Es gibt Fetaröllchen, gebackene Käsetaschen und süßen Kuchen. Die Hausherrin serviert Cay, den traditionellen türkischen Schwarztee.
Tayfun Sertcan feiert Geburtstag, 64 Jahre alt ist er am 22. März geworden. Doch das ist nicht der einzige Grund, warum die Familie an diesem Tag in großer Runde zusammensitzt. Der Bürgermeister hat sich angemeldet, will die türkischstämmige Familie näher kennenlernen.
Organisiert hat den Freundschaftsbesuch der Verein "Türkische und Deutsche Kaufleute" (TDK) mit Sitz in Spandau. Bis Jahresende soll es mindestens drei weitere Termine bei Spandauer Familien mit Migrationshintergrund geben. Egal aus welcher Kultur sie kommen, kündigt Vereinsvorstand Ali Yildirim an. Die Sertcans sind die Ersten, die Helmut Kleebank von sich erzählen, von ihrem Leben in der Zitadellenstadt und was sie besonders vermissen.
Das Ehepaar kam vor fast 30 Jahren nach Berlin. 1999 zog das es von Charlottenburg nach Spandau. Tayfun Sertcan arbeitete zuletzt als Taxifahrer, seine Frau ist bei einer türkischen Fluggesellschaft angestellt. Die Tochter will Lehrerin werden, der Sohn studiert Maschinenbau. In der deutschen Gesellschaft ist die Familie längst angekommen. "Ich fühle mich als Spandauer", sagt Tayfun Sertcan, als ihn der Bürgermeister danach fragt. Er habe nette Nachbarn hier, gute Freunde und Verwandte. Seine Tochter hat auf dem Freiherr-vom-Stein-Gymnasium ihr Abitur gemacht. Der Sohn wohnt mit seiner Freundin ebenfalls hier.
Harika Sertcan erinnert sich daran, wie sie als 22-Jährige nach Berlin kam. "Ein Kulturschock war das. Ich dachte, ich komme in ein Dorf." Inzwischen hat sich daran gewöhnt, dass die Geschäfte hier viel früher schließen als in Istanbul, die Spandauer zwar offen und zugänglich sind, Fremden gegenüber aber manchmal etwas schwierig. In die Türkei reist die Familie fünfmal im Jahr. "Zum Klassentreffen, zu Freunden und zum Haare schneiden", sagt Tayfun Sertcan und lacht. Und weil der Bürgermeister nicht jeden Tag auf ihrem Sofa sitzt, geben ihm die Sertcans auch gleich ein paar Wünsche mit. Mehr Bänke und Papierkörbe in den Parks, ein Kaffeehaus am Lindenufer und eine Diskothek für die Jugend.
In Spandau leben geschätzte 2000 Familien türkischer Herkunft. Etwa 25 Prozent aller Spandauer haben einen Migrationshintergrund.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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