Ein Stück Geschichte entfernt
Entsetzen über Abriss der Erbbegräbniswand auf dem städtischen Friedhof IX

Auf dem städtischen Friedhof IX ist bereits ein Teil der Erbbegräbniswand für die Hugenotten abgerissen worden. | Foto: Anne Schäfer-Junker
  • Auf dem städtischen Friedhof IX ist bereits ein Teil der Erbbegräbniswand für die Hugenotten abgerissen worden.
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Mit Entsetzen haben viele alteingesessene Buchholzer verfolgen müssen, wie der Abriss der Erbbegräbniswand für die Hugenotten auf dem städtischen Friedhof IX begann.

An dieser Mauer befanden sich die Begräbnisstätten alteingesessener Familien wie Chartron, Guyot oder Matthieu, berichtet Anne Schäfer-Junker. Sie ist die Ortschronistin von Französisch Buchholz. In dieser Funktion und namens der Interessengemeinschaft Kulturgut – Französisch Buchholz – Bienculturel erklärt sie, dass man entsetzt darüber sei, wie mit dem kulturellen Erbe auf dem Friedhof IX umgegangen wird.

Bei der Erbbegräbnismauer handele es sich um einen kleinen Rest, der noch im Original von der Ortsgeschichte in der Zeit des 18. und 19. Jahrhunderts zeuge. Das Land für den heutigen Friedhof IX kaufte die damalige Gemeinde vom hugenottischen Bauern Guyot. 1891 ist die Begräbnisanlage dann errichtet worden. Die Geschichte der Hugenotten, die nach dem Potsdamer Toleranzedikt in Buchholz siedelten, führte dazu, dass der Ortsteil 1999 in Französisch Buchholz zurückbenannt wurde. Und nun werde diese Erinnerung mit dem Abriss der Friedhofsmauer weiter dezimiert, meinen viele Buchholzer. Und das passiert ausgerechnet in diesem Jahr, in dem die Friedhöfe in die Deutsche Unesco-Welterbeliste als immaterielles Kulturgut aufgenommen wurden.

Aus Protest gegen den Abriss der Friedhofsmauer trafen sich kurz nach Beginn der Arbeiten etwa 30 Bürger zu einer Mahnwache am Friedhof. Unter ihnen war neben Ortschronistin Anne Schäfer-Junker auch Marcel Chartron, ein Nachfahre der Familie Chartron. Er wohnt heute in Karow und ist dort Vorsitzender der Karower Bürgerstiftung.

Schlechter baulicher Zustand

Doch warum lässt das Bezirksamt eine Friedhofsmauer, die so bedeutsam für die Geschichte von Französisch Buchholz ist, überhaupt abreißen? „Diese Friedhofsmauer befindet sich schon seit längerer Zeit in einem schlechten baulichen Zustand“, erklärt Stadtentwicklungsstadtrat Vollrad Kuhn (Bündnis 90/ Die Grünen) auf Anfrage. „Sicherungsmaßnahmen, die vorgenommen wurden, nachdem herabfallende Teile entdeckt wurden, waren nicht mehr ausreichend, insbesondere auch wegen der an der rückwärtigen Seite der Mauer vorbeiführenden Mühlenstraße.“ Aus diesem Grund beauftragte das Bezirksamt ein Gutachten zum baulichen Zustand und zur Standsicherheit der Friedhofsmauer. Darin wurde unter anderem festgestellt, „dass die Standsicherheit der Friedhofsbegrenzung im beschriebenen Bereich nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand nicht den Mindestanforderungen entspricht.“ Als Alternative schlugen die Gutachter vor, unverzüglich die Mühlenstraße für den Verkehr zu sperren, die Mauer zeitnah abzureißen oder eine Befestigung durch eine Stützmauer mit entsprechender Gründung vorzunehmen, was eine aufwendige Sanierung der Grabmäler vorausgesetzt hätte.

„Für die Variante der aufwändigen Sanierung der Grabmäler sind keine Mittel vorhanden“, so Kuhn. „Um die akute Unfallgefahr zu beseitigen, wurde in Absprache mit der Amtsleitung daher der Abriss beauftragt. Gut erhaltene und nicht beschädigte Elemente der Grabmäler werden soweit wie möglich gesichert.“ Sie sollen später in einen noch entstehenden Begegnungsort auf dem Friedhof IX integriert werden, so der Stadtrat.

Doch nach den Protesten von Buchholzern wurden die Abrissarbeiten gestoppt und die Mühlenstraße für einige Tage aus Sicherheitsgründen gesperrt. Vorgesehen ist, dass der noch stehende Mauerrest nun doch von einer Fachfirma gesichert wird, sodass er nach Stand der Dinge wohl stehen bleiben kann.

Autor:

Bernd Wähner aus Pankow

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