"Ich möchte andere ermutigen": Architekt Götz Peter Kaiser über die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt

Götz Peter Kaiser und Nesredin Osman bei einer Baustellenbesichtigung. | Foto: Andree Eichner
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Berlin. Der Architekt Götz Peter Kaiser setzt sich aktiv für die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt ein. Im Interview mit Berliner-Woche-Reporterin Stefanie Roloff spricht der Engagement-Botschafter 2016 über seine Erfahrungen.

Herr Kaiser, Ihr Architekturbüro hat einen Geflüchteten als Praktikanten eingestellt. Wie kam es dazu?

Götz Peter Kaiser: Letzten Sommer stand in der Zeitung, dass das Jobcenter in Brandenburg eine Stelle zur Vermittlung von Flüchtlingen eingerichtet hat. Das fand ich eine tolle Idee! Beim Jobcenter in Berlin ist diese Abteilung damals gerade erst aufgebaut worden. Aber dann hat das Jobcenter uns den 22-jährigen Nesredin Osman aus Eritrea vermittelt. Er hatte schon vor seiner Flucht damit angefangen, Bauzeichner zu lernen und in seiner Freizeit einen Computerkurs belegt. Auch Deutsch sprach er bereits leidlich gut. Es passte einfach! Nun ist er seit November 2015 als Praktikant bei uns und fängt im Herbst seine dreijährige duale Ausbildung zum Bauzeichner an, mit Lehrlingsvertrag und -gehalt wie bei jedem anderen Lehrling auch.

Wie wurden Sie vom Jobcenter unterstützt?

Götz Peter Kaiser: Wirklich gut! Als wir den Vertrag zur Einstiegsqualifizierung geschlossen hatten, bekam Nesredin in seinen Flüchtlingsausweis den Stempel, dass er eine Ausbildung machen darf. Finanziell war es für unseren Betrieb kein Problem, denn das Praktikum wird durch das Arbeitsamt gefördert. Die Industrie- und Handelskammer wurde eingeschaltet, weil ich als Architekt mit Hochschulabschluss zwar ausbilden darf, aber das formale Schreiben nicht hatte. Anschließend stellten wir den Kontakt zur Berufsschule her, in der Nesredin hospitieren durfte.

Wie gelingt die Integration im beruflichen Alltag?

Götz Peter Kaiser: Nesredin ist drei Tage die Woche hier und zwei Tage in der Berufsschule. Einstiegsqualifizierung bedeutet, dass er in den Büroalltag hineinschnuppern kann. Die Sprache ist dabei natürlich das größte Problem. So setzen wir uns immer wieder hin und gehen die bautechnischen Fachbegriffe auf Deutsch durch. Inzwischen macht er auch schon Bauzeichnungen und wir nehmen ihn mit auf Baustellen. So kommt er Stück für Stück ins Berufsleben rein. Letztendlich ist es, bis auf die Sprachbarrieren, wie bei jedem anderen Lehrling.

Wieso ist eine rasche Eingliederung in den Arbeitsmarkt für geflüchtete Menschen so wichtig?

Götz Peter Kaiser: Es ist die einzige Chance! Viele sind geflüchtet, weil sie in ihrem Heimatland keine Perspektive haben. In Eritrea herrscht eine Militärdiktatur. Wer in Deutschland lebt, möchte ankommen, falls er nicht zu den Menschen gehört, die wieder in ihre Heimat zurückkehren möchten. Nesredin möchte hier Fuß fassen und das klappt nur über den Beruf. Vielleicht geht er in zehn Jahren als Architekt zurück nach Eritrea. So nutzt die Integration unserer Volkswirtschaft aber auch dem Heimatland. Und natürlich Nesredin und unserem Büro!

Wie kam es zur Mitwirkung bei „Wir zusammen“, der Integrationsinitiative der deutschen Wirtschaft?

Götz Peter Kaiser: Das war auch wieder Zeitungslektüre! Im Frühjahr 2016 habe ich eine Anzeige von „Wir zusammen“ gesehen mit großen Namen der deutschen Industrie. Da dachte ich, dass kleine Freiberufler-Büros wie das meine mit damals sechs Mitarbeitern doch eigentlich viel flexibler sind und mehr individuelle Möglichkeiten haben. So habe ich „Wir zusammen“ von meiner Initiative erzählt und wurde dort begeistert aufgenommen.

Worin sehen Sie Ihre Aufgabe als Engagement-Botschafter?

Götz Peter Kaiser: Ich möchte andere ermutigen! Ich kenne jede Menge kleine Büros von Selbstständigen und Freiberuflern, die einen Geflüchteten qualifiziert ausbilden könnten. Ich würde ihnen empfehlen, sich diese Zeit zu nehmen. Mit unserem internationalen Team – ich habe auch eine israelische und eine bulgarische Mitarbeiterin – führen wir unheimlich erfrischende Gespräche über Religion und Lebensweisen. Eine bereichernde Erfahrung! An die Politik und die Verwaltung kann ich nur appellieren, die bürokratischen Hemmnisse für die Ausbildung in kleinen Betrieben zu senken, damit dort mehr Geflüchtete eine Lehre beginnen können.

Autor:

Stefanie Roloff aus Friedenau

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