Neue Nachbarn für die Tiger
Alfred-Brehm-Haus wird für 8,2 Millionen Euro umgebaut
Das könnte man Win-win-Situation nennen: Vom Umbau des Alfred-Brehm-Hauses im Tierpark sollen Besucher, Pfleger und vor allem die Tiere profitieren. Ende Mai fiel der Startschuss für das größte Bauprojekt auf der Anlage seit Jahrzehnten.
In den 1960er- und 70er-Jahren galt das Raubkatzen-Domizil als die Attraktion. Am Alfred-Brehm-Haus führte für Tierpark-Besucher kein Weg vorbei – dem etwas strengen Geruch und dem Mitleid mit den großen Katzen in ihren engen Käfigen zum Trotz. Jetzt sind die ersten alten Tigerkäfige abgerissen. Ein Bauzaun versperrt den Eingang und weist auf das Großprojekt hin: In den nächsten Monaten soll sich das denkmalgeschützte Gebäude in ein modernes Regenwaldhaus verwandeln.
Den symbolischen Baustart übernahm der Chef selbst; Zoo- und Tierparkdirektor Andreas Knieriem entfernte mit dem Bagger das Geländer an der Felsenhalle, bis dato Wohnsitz der Löwen. Für die Großkatzen heißt es Abschied nehmen. Sie kehren nach dem Umbau nicht ins Alfred-Brehm-Haus zurück. „In Zukunft werden in diesem Haus nicht nur Katzen wohnen“, erklärt Knieriem. „Wir wollen die Besucher auf eine Reise in den Regenwald mitnehmen und die Diversität dieses Lebensraums abbilden.“ Konkret bedeutet das: Während auch für die Sibirischen Tiger ein Umzug ansteht, bekommen Sumatra- und Hinterindischer Tiger neue Nachbarn; zwei Malaienbären, eine Gruppe von Goodfellow-Baumkängurus, eine Königscobra.
Bessere Tierhaltung und ein besseres Besuchererlebnis – beides verspricht Anna Buttkus vom Architektenbüro dan pearlman, das den Umbau gemeinsam mit dem Büro SKP geplant hat. „Die Tiere bekommen sechs Mal mehr Platz. Gleichzeitig bieten wir den Besuchern mehr Transparenz.“ Qualität statt Quantität lautet die Devise. 2015 lebten im Brehm-Haus noch 54 Tiere – ausschließlich Groß-, Klein- und Schleichkatzen, nach dem Umbau sollen es nur noch 25 sein.
„Die Tierparkbewohner bekommen artgerechte Lebensräume, dafür müssen wir den Bestand reduzieren“, so Andreas Knieriem. Der Fokus bei der Auswahl liege auch auf dem Bedrohungsstatus. „Mit den Goodfellow-Baumkängurus kommt eine stark bedrohte und für den Besucher sehr attraktive Tierart ganz neu in den Tierpark.“
Das 1963 als Europas größtes und modernstes Raubtierhaus eröffnete Alfred-Brehm-Haus ist in den vergangenen Jahren bereits energetisch saniert worden, der Umbau soll daher nicht mehr allzu viel Zeit in Anspruch nehmen. Den beiden Malaienbären Tina und Johannes dürfte er ein neues Lebensgefühl bringen. Noch lebt das Duo in der Nähe des Schloss-Eingangs auf knapp 180 Quadratmetern, im Regenwaldhaus beziehen die Pelzträger eine großzügige Anlage mit Kletterbäumen auf einer Fläche von circa 1000 Quadratmetern.
Alle Bewohner sollen im modernisierten Brehm-Haus bessere Lebensbedingungen erhalten, betont Anna Buttkus. „Allein die Fläche für die Tiger wird sich verdreifachen.“ Möglich sei das unter anderem, weil die Wassergräben vor den Felsenhallen mit Sand zugeschüttet würden. Glasscheiben schirmen die Tiere ab, erlauben aber gleichzeitig mehr Nähe und einen offenen Blick in die Gehege, in denen künftig auch tropische Pflanzen wachsen sollen. „Unser Ziel ist es, den Lebensraum so naturnah wie möglich zu gestalten“, erklärt Maria Schimke von Architekturbüro SKP. „Darin liegt eine der Herausforderungen bei diesem Projekt.“
Eine weitere: Während des Umbaus bleiben einige Tiere im Gebäude, darunter die Nebelparder, die Java-Leoparden, die Tiger und die Begalkatzen. Staubwände sollen sie vor Lärm und Schmutz schützen, tagsüber kommen sie aufs Außengelände. Gearbeitet wird in Etappen. Ein Großteil der Außenkäfige ist bereits abgerissen, an ihrer Stelle sollen großzügige Freigehege entstehen.
Das 5300 Quadratmeter große Alfred-Brehm-Haus wurde nach den Plänen des bekannten DDR-Architekten Heinz Graffunder gebaut und vor 55 Jahren eröffnet. Die lang ersehnte Umgestaltung kostet knapp 8,2 Millionen Euro und wird gemeinschaftlich finanziert: Den Löwenanteil mit 4,1 Millionen Euro übernimmt das Land Berlin. 3,6 Millionen Euro kommen von der Lottostiftung. 475 000 Euro steuert die Fördergemeinschaft von Tierpark und Zoo „Freunde Hauptstadtzoos“ bei. „Jede Verbesserung der Tierhaltung erfordert ein zusätzliches finanzielles Engagement“, sagt der Vorsitzende des Vereins, Thomas Ziolko. „Daher können wir als Förderverein stolz sein, dass wir hier einen Beitrag geleistet haben.“
Wehrmutstopfen für die Besucher: Bis zur Fertigstellung bleibt das Alfred-Brehm-Haus komplett geschlossen. Möglich ist aktuell nur ein Blick auf die Tiger in der Felsen-Außenanlage.
Autor:Berit Müller aus Lichtenberg |
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