Ein Bauwerk, das die Phantasie bewegt
Die Brommybrücke und der Wunsch nach Wiederaufbau
Die Debatte taucht ungefähr so regelmäßig auf wie das Ungeheuer von Loch Ness: Die Brommybrücke soll wiederaufgebaut werden. Für den bisher letzten Aufschlag sorgte der SPD-Bezirksverordnete John Dahl. Er forderte den Wiederaufbau in einem inzwischen mehrheitlich von der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) beschlossenen Antrag.
Nicht wie einst als Spreeüberquerung für alle Verkehrsteilnehmer soll die Brücke dienen, sondern nur noch als Fußgänger- und Radfahrerfurt. Aber das sei "in die Wege zu leiten". So weit, so Papier. Ob daraus mehr wird oder ob der Vorstoß ebenso versandet wie andere zuvor, bleibt abzuwarten. Der Senat sieht in dem Brommybrückenprojekt bisher keine erhöhte Priorität. Dabei macht sich nicht nur John Dahl über dieses Vorhaben Gedanken.
An die alte Brommybrücke erinnert heute nur noch der Rest ihres südlichen Pfeilers, der als eine Art Mini-Insel in der Spree liegt. Darauf steht seit September 2018 ein Fahrrad. Aufgestellt von Aktivisten des Netzwerks Fahrradfreundliches Friedrichshain-Kreuzberg, die ebenfalls für die Per-pedes-Passage über den Fluss trommeln.
Gut zu sehen sind Eiland und Rad vom sogenannten Brommybalkon. Er befindet sich am Ende der kurzen Brommystraße, die von der Köpenicker Straße abgeht. Dort war das südliche Ende der Brommybrücke. Auf Friedrichshainer Seite gab es die Landberührung vis-a-vis des heutigen "Living Levels-Hochhaus".
Die ursprüngliche Brommy-brücke wurden zwischen 1907 und 1909 nach Plänen des Architekten Alfred Messel erbaut. Sie war 95 Meter lang und 18 Meter breit. Das Bauwerk war nicht der erste Spreeübergang an dieser Stelle. Seit 1851 hatte es dort eine Eisenbahnverbindung gegeben. Sie diente dem Gütertransport unter anderem zum heutigen Ostbahnhof. Aber auch Fußgänger konnten sie nutzen. Zunächst über einen schmalen Weg, ab 1882 auch durch einen höher gelegenen Überbau.
Der war allerdings gut zehn Jahre später völlig marode. Und der Güterverkehr hatte an dieser Stelle bereits seit 1871 immer mehr an Bedeutung verloren. Deshalb kam es zum Abriss und Anfang des 20. Jahrhunderts zum Neubau einer Straßenbrücke. Die wurde in den letzten Kriegstagen 1945 von deutschen Truppen gesprengt, um der Roten Armee den Einmarsch nach Berlin zu erschweren. Was noch übrig blieb, verschwand Anfang der 1950er-Jahre. Mit Ausnahme der Pfeilerreste. Der nördliche, auf der Friedrichshainer Seite, wurde 1977 beseitigt. Beim südlichen war das im Spätsommer 1989 beschlossen. Die Ereignisse in den folgenden Wochen, Stichworte friedliche Revolution und Mauerfall, verhinderten die Ausführung.
Große Pläne aber keine Umsetzung
Damit ist auch angedeutet, warum die Brommybrücke mehr als vier Jahrzehnte kein Thema war. Denn dort, wo sie einst stand, befand sich die Grenze zwischen Ost- und West-Berlin. Seit 1961 ummauert, etwa durch den Hinterland-Betonwall entlang der Mühlenstraße, jetzt die East Side Gallery.
Nach den Veränderungen der Jahre 1989/90 kam allerdings ein Wiederaufbau immer wieder in die Diskussion. Es begann die bis heute anhaltende "Loch-Ness-Phase" mit teilweise ganz großen Plänen, die irgendwann wieder in der Versenkung verschwanden. Etwa die einer "bewohnten Brücke" auf der Platz für Gewerbebetriebe vorgesehen war.
Auch die BVV Friedrichshain-Kreuzberg beschloss 2007 den Bau einer neuen Brücke an alter Stelle. Sie sollte zwar so angelegt werden, dass darauf der komplette Straßenverkehr Platz finden könnte, allerdings erst einmal nur von Fußgängern, Radfahrern sowie für die öffentlichen Personenbeförderung genutzt werden. Bereits einige Monate später wurde, wegen Widerstand gegen einen möglichen Autobetrieb und aus Kostengründen, lediglich eine Verbindung zu Fuß oder Rad verlangt. So auch beim erfolgreichen Bürgerentscheid "Spreeufer für Alle" im Sommer 2008. Seither ist diese Version eine Art Geschäftsgrundlage. Allerdings hatte das bis heute keine Konsequenzen. John Dahls Antrag ist daher erst einmal nur ein weiterer Versuch, die Brommybrücke auf die Tagesordnung zu bringen. Allerdings mit inzwischen etwas veränderter Ausgangslage. Es gibt starken Verkehr im Spreeraum. Gerade auch Radverkehr. Nicht nur auf der Oberbaumbrücke ist das täglich zu beobachten. Nichts spricht deshalb eigentlich gegen eine weitere Wegalternative.
Gegner befürchten noch mehr Touristen
Oder doch? Denn es würde fast verwundern, wenn die noch immer nur virtuelle Brommybrücke keine Gegner auf den Plan rufen würde. Diese Idee sollte schleunigst begraben werden, fand ein Redner bei einer der Diskussionen um die Aldi-Kündigung in der Markthalle Neun. Denn, so meinte der Mann, käme diese Verbindung, würde sie noch mehr Touristenmassen nach SO36 ziehen. Erst recht dürfte nicht nur ihm wenig gefallen, welche Phantasie und Kreativität auch anderswo in das Brückenprojekt gesteckt wird. Der "Tagesspiegel" berichtete vor kurzem von Plänen des Architekturbüros Grobe GmbH für einen möglichen Neubau. Die Animation ähnelt einem geöffneten Mund, einschließlich voller Oberlippe und Zähnen.
Auf der Website des Büros wird der Entwurf näher erklärt. Und auch wenn das dort in Frageform steht, aus der "einstigen Eisenbahnbrücke" soll eine "Eventbrücke" werden. Auf 2700 Quadratmeter Nutzfläche bestehe Platz für zwei Bühnen. "Kleine Veranstaltungen, Fashionevents, Preisverleihungen, Konzerte und Diskussionen" könnten dort bei bis zu 1000 Sitzplätzen stattfinden. Büroräume, Backstagebereiche und ein Restaurant sind ebenfalls vorgesehen. Und zwar in den "Zähnen". "Zum Lächeln ansteckend" werde die Brücke "Berlin ein neues Wahrzeichen geben", finden die Planer. Und der Fuß- und Radverkehr soll natürlich ebenfalls seinen Platz bekommen.
Vielleicht verschwindet auch diese Idee wieder, ähnlich wie Nessie im schottischen Loch. Aber sie zeigt: Die Brommybrücke schlägt Wellen.
Mehr zum Namensgeber der Brücke lesen sie hier.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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