Auf den Weg gemacht
Bezirk ist jetzt Fairtrade-Town

Clara Herrmann, Helena Jansen und Manfred Holz (von links) mit der FairTrade-Urkunde. | Foto:  Thomas Frey
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Manfred Holz sprach nur kurz, baute in seine Rede aber einige Merksätze ein. "Moral endet nicht am Regal", lautete einer. "Jeder hat Macht, der etwas macht", ein anderer. Und wenn "unter den Menschen genauso viel geteilt würde, wie bei Facebook, gäbe es keine Armut mehr."

Holz ist Ehrenbotschafter der Organisation TransFair, die das Label Fairtrade-Town vergibt. 245 Städte in Deutschland haben den Titel bisher bekommen, unterteilt auf Stadtbezirke sind es sogar schon 553. Seit 20. Juli ist auch Friedrichshain-Kreuzberg Mitglied in diesem Club. Die Urkunde wurde bei einem Fest im Jugendclub Feuerwache an der Axel-Springer-Straße überreicht.

Eigentlich etwas spät für eine grün-dominierte Kommune. In Berlin waren schon fünf andere Bezirke schneller. "Wir wollten uns den Titel aber auch verdienen", so die Begründung von Umweltstadträtin Clara Herrmann (Bündnis90/Grüne). Das sei umso deutlicher gelungen. Etwa bei der Vorgabe, Geschäfte nachzuweisen, die faire Angebote führen. 39 war dafür, gemessen an der Einwohnerzahl, die Mindestmarke. Friedrichshain-Kreuzberg konnte 82 benennen. "Wahrscheinlich gibt es sogar noch ein paar mehr", vermutete die Stadträtin.

Fairer Handel bedeutet zunächst, dass die Produkte beziehungsweise Rohstoffe zu zumindest einigermaßen menschenwürdigen Bedingungen geerntet und verarbeitet werden. Das bezieht sich vor allem auf Länder in Afrika, Asien und Lateinamerika. Keine Kinderarbeit, anständige Bezahlung sind einige der Hauptforderungen. Eine Existenz, die das Leben sichert, sorge gerade in Ländern der einstmals sogenannten "Dritten Welt" für weitere Wertschöpfung und Nachhaltigkeit, führte Katrin Frank vom Forum Fairer Handel aus. Auch bessere Bildungschancen ließen sich dadurch erreichen. Und insgesamt gehe es um einen faire globale Verteilung. Wo sie nicht bestehe, sei das ein Grund für Flucht und Migration.

Heruntergebrochen auf Friedrichshain-Kreuzberg hieß das zum Beispiel mehr Aufmerksamkeit und Sensibilität für das Thema. Die gab es gerade während der Bewerbung für die Fairtrade-Urkunde auf verschiedene Weise. Von Veranstaltungen wie Kinoabende zu den Arbeitsbedingungen in den Erzeugerländern, über Workshops, Kaffee-Tasting bis hin zum fairen Kochen. Speziell auch für die Mitarbeiter der Verwaltung. 200 Kolleginnen und Kollegen hätten sich daran beteiligt. Auch insgesamt habe es eine große Offenheit gegeben, sagte Helena Jansen, die Fairtrade-Koordinatorin des Bezirks.

Die meiste Aufmerksamkeit erreichten dabei wahrscheinlich die "fairen Fußbälle". Michael Jopp, Koordinator dieser Initiative mit dem Titel "Sport. Rund um fair" trommelte mit Veranstaltungen und Informationen bei Schulen und Vereinen für diese Spielgeräte aus korrektem Handel. Der Kreuzberger Club Hansa 07 hat sich inzwischen als erster verpflichtet, sein Equipment nur noch aus solchen Produktionen zu beziehen.

Viele Menschen hätten Interesse, sich in Richtung fair zu orientieren, konstatierte Katrin Franke. Allein zwischen 2016 und 2017 habe es einen Zuwachs von rund 13 Prozent gegeben. Insgesamt liegt das Fair-Volumen am Gesamtmarkt in Deutschland aber aktuell nur bei knapp fünf Prozent. "Der Wille ist da, das Fleisch ist manchmal schwach".

Dabei muss fair nicht immer besonders kostspielig bedeuten. Anlässlich der Preisverleihung präsentierten sich auch einige Anbieter. Etwa das Supermarché-Bekleidungsgeschäft an der Wiener Straße. T-Shirts, versehen mit dem Aufdruck "Bienenretterin" kosten 29,90 Euro. Dieser Preis müsste auch für Markenartikel bezahlt werden. Hergestellt würden die Shirts in einer fair-zertifizierten Fabrik in Indien, bedruckt an der Oranienstraße, wird erklärt

Auch eine faire Kaffeerösterei war vor Ort. Bisher sind ihre Bohnen nur online zu beziehen. Aber vielleicht irgendwann im Laden. Es gebe da gerade ein Projekt mit der Handelskette dm.

Die öffentliche Hand hat natürlich ebenfalls Einflussmöglichkeiten. Berlin kauft jedes Jahr Produkte im Wert von rund fünf Milliarden Euro ein. Essen für Mensen und Kantinen, Uniformen für das Ordnungsamt, die BVG, die BSR, Natursteine. Ihrer Herkunft will sich der Bezirk als nächstes besonders widmen. Das Thema wäre deshalb auch für die gesamte Stadt wichtig, erklärte die ebenfalls anwesende Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Bündnis90/Grüne). "Fair oder nicht, das macht einen Unterschied".

Berlin will im Herbst ebenfalls dieses Label bekommen. Mehrere Bezirke hätten dazu Vorarbeit geleistet, was vom Land entsprechend unterstützt worden sei. Jetzt auch und in besonderem Maße von Friedrichshain-Kreuzberg.

Auch wenn noch manches zum Fairtrade-Paradies fehle. Die Auszeichnung wertete auch Clara Herrmann als eine Art Zwischenergebnis. "Auf den Weg gemacht" war eine beliebte Redewendung bei vielen Ansprachen.

Fairer Handel schließe, wenngleich auf andere Weise, auch heimische Bäcker, Fleischer oder Fischer ein, hatte Manfred Holz in seiner Laudatio ebenfalls vermerkt. Denn auch regionaler und saisonaler Konsum wäre ein Ziel.

Und beim korrekten Kaffeeausschank sah er die Deutsche Bahn als lobenswertes Beispiel. Die biete inzwischen faire Heißgetränke. "Seither genieße ich die Fahrt in vollen Zügen".

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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