"Hier sollte etwas vertuscht werden": Friedhoffund schlägt weiter Wellen
Hans-Jürgen Schwebke wundert sich nun über die unterschiedlichen Aussagen des Investors. "Als ich mich im November 2014 an die Redaktion wandte, hatten die Ausgrabungen schon längst begonnen. Ich sah die rechteckigen Felder und kam doch erst dadurch auf die Geschichte der hochbetagten Dame", schrieb er uns jetzt.
Zur Erinnerung: Er bezog sich damals auf ein schon in den 1990er-Jahren stattgefundenes Gespräch mit einer alten Frau. Sie hatte ihm erzählt, dass auf dem Grundstück tote Zwangsarbeiter begraben wurden. Für dieses Gerücht gibt es bisher keine Bestätigung. Richtig ist allerdings, dass in den Firmen, die sich während des Zweiten Weltkriegs dort befanden, zahlreiche Zwangsarbeiter arbeiten mussten.
Dass bei den Ausgrabungen aber etwas entdeckt wurde, was wie ein Gräberfeld aussah, davon war Hans-Jürgen Schwebke schon vor einigen Monaten überzeugt. Er habe nur keinen Fotoapparat dabei, um das zu dokumentieren. Anders als Anwohnerin Heidi Neppach, die eine Aufnahme machte und sie der Berliner Woche schickte. "Zum Zeitpunkt der Anfrage der Redaktion beim Investor sollte von diesem etwas vertuscht werden." Diese Vermutung hat Schwebke jetzt.
Nach Auskunft der Bauwert befand sich zwischen 1809 und 1913 ein Friedhof an der Boxhagener und Holteistraße. Er wurde von böhmischen Einwanderern angelegt, die unweit davon ab 1771 eine Kolonie aufgebaut haben. Das hätten Untersuchungen ergeben.
Das auch als Antwort auf die Frage des Lesers, ob eigentlich genau geprüft wird, um wen es sich bei den Toten handelt? Außerdem will er wissen, ob man auf dem Grund und Boden eines früheren Friedhofs nach Berliner Recht überhaupt bauen darf.
Grundsätzlich ist das möglich und passiert bereits an anderen Stellen oder ist geplant. So auch am Eingang Landsberger Allee der Friedrichshainer Friedhöfe, wo auf zwei Parzellen Wohnungen entstehen sollen. Diese Parzellen werden für Bestattungen nicht mehr benötigt, erklärt der evangelische Friedhofsverband Berlin-Stadtmitte. Denn die inzwischen zahlreichen Urnen- und anonymen Gräber brauchen weniger Platz.
Ohne Weiteres umwidmen lassen sich solche Flächen aber nicht. Zunächst muss dort die Ruhezeit abgelaufen sein. Sie beträgt in Berlin derzeit 20 Jahre. Darüber hinaus ist eine weitere Pietätsfrist von zehn Jahren einzuhalten. Diese Vorgaben sind auf dem Freudenberg-Areal erfüllt.
Aber auch nach über 100 Jahren, wie in diesem Fall, finden sich manchmal noch sterbliche Überreste von Menschen. Sie werden dann an anderer Stelle erneut beerdigt. Bei den Funden an der Boxhagener und Holteistraße soll das auf einem städtischen Friedhof passieren.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.