Bürgerbeteiligung und ihre Grenzen

Demonstrationen von Bürgern in der BVV gehören in Friedrichshain-Kreuzberg zur Folklore. Im vergangenen Herbst ist die Situation dort eskaliert. | Foto: Frey
2Bilder
  • Demonstrationen von Bürgern in der BVV gehören in Friedrichshain-Kreuzberg zur Folklore. Im vergangenen Herbst ist die Situation dort eskaliert.
  • Foto: Frey
  • hochgeladen von Thomas Frey

Friedrichshain-Kreuzberg. Der Bezirk ist stolz auf seine umfassende Bürgerbeteiligung. Bei allen wichtigen Themen werde auf die Meinung der Bevölkerung großen Wert gelegt, wird immer wieder betont. Aber vielleicht weil das so ist, gibt es inzwischen immer wieder Probleme mit dieser Form der direkten Demokratie.

Sie beziehen sich nicht nur auf die Krawallexzesse bei der Versammlung zum Görlitzer Park, die vielen Bezirksverordneten noch immer in den Kleidern hängen.

Auch wenn es um andere Fragen geht, formiert sich häufig massiver Protest. Etwa gegen die Neubauten auf dem Freudenberg-Areals oder die Umgestaltung des Fraenkelufers.

Das alles war für Marlene Miersch und Michael Heihsel Anlass für eine Einwohneranfrage in der BVV. Unter dem Titel "Wie funktioniert Demokratie in Friedrichshain-Kreuzberg?" wollten sie unter anderem wissen, wie der Bezirk sicherstellen will, dass bei Veranstaltungen nicht das Recht des Lautesten gilt. Oder gar, wie bei der Sitzung im September 2014 passiert, eine Sitzung des Bezirksparlaments abgebrochen werden muss. Denn durch solche Vorkommnisse sehen die Fragesteller die parlamentarische Demokratie gefährdet.

Ihr Anliegen wurde in den Ausschuss für Bürgerschaftliches Engagement und Transparenz (BüTra) überwiesen, der sich Mitte März in einer über weite Strecken sehr sachlichen Debatte damit beschäftigte.

Was der Umgang mit Krawallmachern angehe, gebe es keine Patentlösung, machte BVV-Vorsteherin Kristine Jaath (Bündnis 90/Grüne) deutlich. Dass die Randalierer der Görli-Veranstaltung nicht von der Polizei aus dem Saal geholt wurden, sei auch auf Anraten der Einsatzkräfte passiert. "Persönliche Unversehrtheit bleibt weiter das oberste Ziel." Es sei auch im Vorfeld darüber gesprochen worden, wie mit möglichen Störungen umzugehen sei, widersprach sie Kritik, etwa des CDU-Fraktionsvorsitzenden Götz Müller. Der hatte darauf verwiesen, dass die Radaubrüder- und -schwestern bereits zuvor im Internet angekündigt hatten, sie wollten die Versammlung sprengen. Möglicherweise sei aber unterschätzt worden, wie sehr schon wenige Störer eine solche Veranstaltung dominieren könnten.

Was eine gute Überleitung zur Frage war, wie es manchmal wenigen Interessenvertretern gelingt, ihre Position durchzusetzen. Marlene Miersch und Michael Heihsel nennen dafür als Beispiel den Streit um das Tiergehege im Viktoriapark im vergangenen Herbst. Da sei es einer relativ kleinen, aber gut organisierten Gruppe gelungen, den Abtransport der Tiere und das Ende des Mini-Zoos rückgängig zu machen. Auch weil sich die eine oder andere Fraktion das Anliegen schnell zu Eigen machte. Sei das nicht eine Art von Lobbyismus und gefährlicher Einflussnahme?

Weil die Fragesteller aus den Reihen der Bezirks-FDP kommen, sah sich der Grüne Bezirksverordnete Andreas Weeger zunächst zu einer Polemik veranlasst: "Vielleicht sollte erst einmal Ihre Partei das Thema Lobbyismus hinterfragen. Dafür war sie in der Vergangenheit ja bekannt." Andere Kollegen fanden solche Retourkutschen in diesem Moment allerdings fehl am Platz. Ganz gefeit vor Einflüsterungen sei auch ein Bezirksverordneter nicht, meinten einige. Und natürlich würden Parteien versuchen, manche Ärgernisse aufzunehmen, um sie vielleicht in Wählerstimmen umzumünzen. Daraus, so zumindest die Mehrheitsmeinung, entstehe aber keine Gefahr für die repräsentative Demokratie. "Die Entscheidungen fallen noch immer in der BVV", meinte der fraktionslose Ex-Pirat Felix Just.

Das zeigte sich jüngst auch bei den Auseinandersetzungen um den Umbau des Fraenkelufers. Eine klare Mehrheit in der BVV steht hinter den Plänen. Sie stoßen gleichzeitig auf massiven Widerstand. Andere Interessengruppen stellten sich dagegen wieder klar hinter das Vorhaben. Nicht nur in diesem Fall werden die Grenzen der Bürgerbeteiligung deutlich. Sie ist eben häufig kein Allheilmittel, um bestehende Konflikte zu befrieden.

Thomas Frey / tf
Demonstrationen von Bürgern in der BVV gehören in Friedrichshain-Kreuzberg zur Folklore. Im vergangenen Herbst ist die Situation dort eskaliert. | Foto: Frey
Protest nicht nur auf Plakaten. Widerstand gegen die Umbaupläne am Fraenkelufer. | Foto: Frey
Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

50 folgen diesem Profil

2 Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 180.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom baut Netz aus
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Ab Dezember starten die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Borsigwalde, Friedenau, Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade, Lübars, Mariendorf, Neu-Tempelhof, Reinickendorf, Schöneberg, Spandau, Tegel, Waidmannslust, Wilhelmstadt und Wittenau. Damit können weitere rund 180.000 Haushalte und Unternehmen in Berlin einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant...

  • Borsigwalde
  • 11.12.24
  • 706× gelesen
WirtschaftAnzeige
JRB DER HEIMWERKER hat alles, was Ihr Weihnachtsfest schöner macht. | Foto: JRB DER HEIMWERKER

JRB DER HEIMWERKER
Alles für Advent und Weihnachten

JRB DER HEIMWERKER hat ein stimmungsvolles und umfangreiches Angebot im Weihnachtsmarkt für Sie, liebe Kunden, zusammengestellt. Im EG. und 1. OG, das Sie bequem mit Rolltreppe oder Aufzug erreichen können, erwartet Sie eine große Auswahl an Weihnachtsdekoration. Christbaumkugeln und Spitzen in vielen Farben und Formen sowie viele Deko-Artikel, Figuren sind in großer Auswahl vorhanden. Das wichtigste ist ein guter Weihnachtsbaumständer und natürlich die Beleuchtung. Wir führen Lichterketten,...

  • Köpenick
  • 27.11.24
  • 754× gelesen
WirtschaftAnzeige
Einstiegstüren machen Baden und Duschen komfortabler. | Foto: AdobeStock

GleichWerk GmbH
Seniorengerechte Bäder und Duschen

Seit März vergangenen Jahres ist die Firma GleichWerk GmbH in Kremmen der richtige Partner an Ihrer Seite, wenn es um den Innenausbau Ihres Hauses oder Ihrer Wohnung geht. Darüber hinaus bietet das Unternehmen auch seine Dienste für Hausverwaltungen an. Geschäftsführender Inhaber des Fachbetriebs ist Dennis Garte, der nach jahrelanger Berufserfahrung den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, wobei er über ein großes Netzwerk an Kooperationspartnern sowie angesehenen Handwerksfirmen verfügt....

  • Umland Nord
  • 04.12.24
  • 434× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 42.500 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom vernetzt
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten nun auch in Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade und Mariendorf. Damit können weitere rund 42.500 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2023 plant die Telekom insgesamt zwei Millionen Anschlüsse in Berlin zu ermöglichen. Schnell sein...

  • Frohnau
  • 11.12.24
  • 890× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 1.822× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.