Abpfiff für die "Wilde 13": Fußball-Fankneipe in der Gabriel-Max-Straße muss am 30. April schließen

Nur noch bis zum 30. April hält Tommy Böcker in der "Wilden 13" die Werder-Fahne hoch. | Foto: Thomas Frey
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Friedrichshain. Es wird ein völlig misslungener Nachmittag für die Fans von Werder Bremen. Ihr Team kassiert eine 1:2-Heimniederlage gegen den FC Augsburg und befindet sich jetzt in höchster Abstiegsgefahr. Aber nicht die miese Tabellensituation des Traditionsclubs beschäftigte danach viele Anhänger.

Auch der Ort, an dem sie bisher die Spiele ihres Lieblingsvereins verfolgen, steht vor dem Aus: die Fußballkneipe "Wilde 13" in der Gabriel-Max-Straße. Am 30. April ist dort Abpfiff.

Die bisherige Hausbesitzerin sei gestorben. Ihre Tochter als Erbin wolle keine Gaststätte mehr haben und verlängere den Mietvertrag nicht. "So einfach ist das", erklärt "Wilde 13"-Wirt Tommy Böcker kurz und bündig. Knappe Aussagen, die wohl überdecken sollen, wie schwer dem Chef das Ende fällt.

Im Zeichen der Hansestadt

Elf Jahre betrieb der 57-Jährige das Lokal. Er lebt zwar seit fast 40 Jahren in Berlin, seiner Liebe zu Grün-Weiss ist er aber immer treu geblieben. In der "Wilden 13" liefen an jedem Bundesligaspieltag die Begegnungen der Bremer über eine Großleinwand und zwei Bildschirme. Auch andere Partien aus dem Fußball-Oberhaus, der zweiten Liga und natürlich die Champions und Europa League waren dort zu sehen. Dazu gab es regelmäßig Musik und Party und jeden Sonntag den "Tatort" oder "Polizeiruf".

Für die Werder-Gemeinde in Berlin wurde das Lokal schnell zum bevorzugten Treffpunkt. Auch bei der Klatsche gegen Augsburg waren die Räume übervoll. Viele Gäste trugen grüne Trikots. Das bevorzugte Bier im Lokal kommt von einer Bremer Großbrauerei. Schimpfend und leidend wird das Geschehen auf den Monitoren und die sich durch ein Gegentor in der Schlussphase abzeichnende Niederlage kommentiert.

Nach dem Spiel muss Tommy Böcker immer wieder erklären, wie es zum Ende der "Wilden 13" gekommen ist. Auch einer Touristengruppe von der Weser, die nach einem Tipp von Berliner Freunden hier gelandet ist.

Das alles sei ein ganz trauriges Kapitel, sagt Nick Willer, der Präsident des Berliner Werder Bremen-Fanclubs. Schuld sei natürlich auch in diesem Fall die Gentrifizierung. "Man muss sich nur umschauen, was sich hier verändert", meint er und zeigt auf ein eingerüstetes Gebäude gegenüber der Gaststätte. Alles werde aufgehübscht, neue Bewohner ziehen in den Kiez und die wollten lieber "einen Yoga- oder Häkelladen" in ihrer Nachbarschaft als eine Fußballkneipe. Damit verliere Berlin aber das, was es bisher ausmache – "seine Coolness". Um das zu verhindern, müsste es eigentlich ähnlich wie beim Denkmalschutz auch eine Art Kultschutz geben, meint Nick Willer.

Kultschutz gefordert

So weit hergeholt ist das nicht einmal, wenn man sich die besondere Kultur der Berliner Fußballszene anschaut. Denn in keiner anderen deutschen Stadt existieren so viele Treffpunkte auswärtiger Vereine. Allein in Friedrichshain-Kreuzberg gibt es Kneipen für die Anhänger von Bayern München, Borussia Dortmund, Mönchengladbach oder Mainz 05, um nur einige Beispiele zu nennen. Und selbst Zweitligisten wie der FC St. Pauli sind hier vertreten. Denn wie einst Tommy Böcker bringen gerade heutige Zuwanderer ihren Heimatverein in die Hauptstadt mit und finden inzwischen viele Gleichgesinnte.

Das gilt auch für den Werder-Fanclub, der nach Angaben seines Präsidenten rund 150 Mitglieder hat. Ehemaliger Bremer oder Niedersachsen würden ebenso dazugehören wie gebürtige Berliner und sogar Menschen aus dem Ausland. "Wir haben zum Beispiel einen Mexikaner, der ursprünglich mal Anhänger von Real Madrid war." Ungefähr ein Drittel lebe im näheren oder weiteren Einzugsbereich der "Wilden 13", der Rest verteile sich über die ganze Stadt und das Umland.

Am 30. April wird es ab 22 Uhr eine "fette Abschiedsparty" geben. Tommy Böcker will danach erst einmal abschalten. Eine neue Kneipe plane er nicht.

Seine bisherigen Gäste müssen sich ab 1. Mai eine andere Bleibe suchen und dort zunächst dem Saisonfinale entgegenzittern. Es gebe zwei Lokale, bei denen der Werder-Anhang wohl unterkommen könnte, sagt Nick Willer. Eines davon, das "Panenka", befinde sich in der Weichselstraße und damit ebenfalls in Friedrichshain, außerdem das "Tante Käthe" am Mauerpark in Prenzlauer Berg.

Beide Fußballtreffs zeigen derzeit viel zweite Bundesliga, denn im Tante Käthe sind die Anhänger des wahrscheinlichen Aufsteigers SC Freiburg sowie Arminia Bielefeld zu Gast, im "Panenka" treffen sich häufig Fans von Union Berlin.

Zweite Liga, dieses sportliche Schicksal droht auch den Bremern. Zumindest dieser Super-Gau müsse abgewendet werden, hoffen die Fans. Nachdem sie schon ihr bisheriges Wohnzimmer verloren haben. tf

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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