Grüne Oase im Beton
Auf dem RAW-Areal Ost beackern Anwohner Hochbeete
Selbst gezogenes Gemüse, frische Kräuter, Wildblumen: Auf dem RAW-Areal an der Revaler Straße haben sich Anwohner eine brachliegende Fläche fürs Urban Gardening erobert.
Gartenerde türmt sich zum riesigen Haufen. Viele Hände zimmern, bohren, messen, schleppen Eimer, schieben Schubkarren. Es ist Pflanzsaison und auf dem RAW-Gelände Ost grassiert das Gartenfieber. Doch es kein Schrebergarten, der hier entsteht. Kein Pflanzen in Reih' und Glied, sondern ein kunterbunter Mitmachgarten. Ein paar Radieschen dort, hier Kürbis und Tomaten, Johannisbeeren neben Wildblumen.
Um die 200 Quadratmeter hat der Eigentümer hergegeben für das gemeinschaftliche Urban Gardening auf Beton. Gegärtnert wird in Hochbeeten, zusammengezimmert aus Holzpaletten. Mitmachen kann jeder. „Alle 34 Hochbeete sind allerdings schon vergeben und die Warteliste ist lang“, sagt Konstanze Fritsch. Die Friedrichshainerin managt den Selbsterntegarten ehrenamtlich für die Stiftung Sozialpädagogisches Institut (SPI) Berlin, die über ein vielfältiges Portfolio an Projekten verfügt. Urban Gardening ist das Neueste. Das Gelände an der Revaler Straße darf die SPI etwa drei Jahre lang zwischennutzen. Der Eigentümer hat den Zaun finanziert und das Material für die Hochbeete spendiert. Im März ging es los mit den Vorbereitungen. Auf Betterplace warb Konstanze Fritsch für weitere Spenden, verteilte Aushänge im Kiez. In nur zwei Tagen waren alle Beete vergeben. An Familien mit Kindern, Paare, junge Leute, Kitas und Schulen in der Nachbarschaft.
"Einen sonderlich grünen Daumen braucht man für die Hochbeete nicht. Sie eignen sich besonders für Anfänger“, sagt Konstanze Fritsch. Nur den Holzkasten müssen die Erwachsenen selber bauen. Was so schwer nicht ist. Konstanze Fritsch hat für jedes Green Team eine Anleitung ausgedruckt. Vier Paletten braucht es, eine Wasserwaage, Hasendraht, eine Folie, Schrauben, Nägel, Tacker und einen Akku-Bohrer. Unten in den fertigen Kasten kommt zuerst das Hasengitter. „Das bedeckt den Boden und schützt so vor Wühlmäusen“, erklärt Konstanze Fritsch. Dann wird Folie ausgelegt und der Kasten mit je einer Schicht Hackschnitzel, Rindenmulch und Gartenerde gefüllt. Fertig ist das Hochbeet.
Sehen, wie Pflanzen wachsen
Für diesen platzsparenden Anbau von Gemüse, Obst und Kräutern haben sich auch Eva und Benjamin Harder entschieden. Über einen Aushang sind sie auf das Urban Gardening aufmerksam geworden. In ihrem Hochbeet haben sie Blumen für Wildbienen gepflanzt, Tomaten, Radieschen und Zwiebeln. Um sich selbst zu versorgen, vor allem aber für ihren zweijährigen Sohn. „Damit er sieht, wie Pflanzen wachsen“, sagt sein Vater. „In der Stadt ein Stück Garten zu haben, vor allem jetzt in der Corona-Zeit, das ist doch genial“, findet seine Frau Eva. Nach der Arbeit wollen die beiden möglichst täglich vorbeischauen. Zum Gießen. „Wir wohnen ja nur drei Minuten weg von hier.“
Ganz soweit wie die Harders sind Anne Levke Vorbeck und Anja Kolmanics mit ihren drei Hochbeeten noch nicht. Die jungen Frauen schütten gerade Hackschnitzel in einen der Kästen. Wachsen sollen dort einmal Kürbisse, Kartoffeln, Tomaten, Radieschen, Erdbeeren, Erbsen und vielleicht auch ein paar Bohnen. „Und essbare Salatblumen.“ Alles für die Kinder aus dem Kinderladen „Sol“ in der Dirschauer Straße. „Die Hochbeete hätten wir gern dauerhaft“, sagen die zwei Mütter.
Doch beackert werden kann das Stück Garten erstmal nur für ein Jahr, informiert Konstanze Fritsch. „Danach schauen wir, wer weitermachen will und wer nicht.“ Die freien Beete gehen dann an die acht Familien, die auf der Warteliste stehen. Die Pacht kostet zehn Euro im Monat. Wer will, kann sie vor Ort auch abarbeiten. Geöffnet ist der Urban-Gardening-Acker montags bis sonntags von 8 bis 20 Uhr. Konstanze Fritsch schließt das Tor morgens auf und abends wieder ab. So kann jeder jederzeit vorbeikommen, sein Beet wässern, Unkraut zupfen und ernten, wenn es soweit ist. Und vielleicht läuft das Urban Gardening auf der RAW-Industriebrache doch länger als gedacht. Wenn der Eigentümer mitspielt. Konstanze Fritsch jedenfalls ist optimistisch. „Wir planen hier noch eine Wildblumenwiese und wollen Lehrtafeln aufstellen.“ Damit möglichst viele Friedrichshainer was davon haben.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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