"Ein Wohnzimmer für alle"
Zwischennutzung für das Haus der Volksbildung hängt in der Warteschleife

Sprüht vor Elan: Die neue Leiterin des Jugendklubs renoviert den Saal für den Jugendklub. Ulrike Markert will das "Kulturzentrum" zum "Wohnzimmer für alle" machen.   | Foto: Dirk Jericho
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Im Juni 2018 hat die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) ein Zwischennutzungskonzept für das seit über zehn Jahren so gut wie leerstehende Haus der Volksbildung in der Badstraße 10 am Bahnhof Gesundbrunnen beschlossen. Initiativen warten auf ihren Einzug. Der Jugendklub zieht gerade in die erste Etage um.

Seit Jahren wartet der Kiez darauf, endlich die dringend benötigten Räume im Haus der Volksbildung nutzen zu können. Doch trotz BVV- und Bezirksamtsbeschluss von Juni und Juli 2018 für eine dreijährige Zwischennutzung hängen alle in der Warteschleife. Lediglich der Jugendclub, der seit Jahren in den Räume im Erdgeschoss ist, zieht seit ein paar Wochen in das erste Obergeschoss. Leiterin Ulrike Markert sprüht vor Elan und renoviert seit Januar den großen Saal. Etwa zehn Jugendliche haben bisher geholfen. Die Künstlerin hat das Farbkonzept entworfen und viele Pläne für die schon schicken Räume.

Den Saal des Jugendclubs sollen auch andere nutzen können. Markert denkt da zum Beispiel an Koch- oder Theaterabende. Derzeit richtet die neue Leiterin die Räume ein. Mit einem großen Esstisch und Möbeln soll das Kulturzentrum, wie sie ihren Klubsaal nennt, „ein Wohnzimmer für alle sein“. Für die Einrichtung gab es 34 000 Euro vom Quartiersmanagement. Markert hat davon zum Beispiel eine Küche, Möbel, eine mobile Bühne sowie moderne Licht- und Tontechnik gekauft.

Tote Hose auf den Etagen

Einer der geplanten Zwischennutzer ist die Theatergruppe „Auch“. Obwohl sie noch wie alle anderen in der Warteschleife hängt und keine Schlüssel für ihren Raum hat, arbeiten die Schauspieler schon im Jugendklub mit den Kids. Ansonsten ist tote Hose auf den restlichen Etagen. Auf eine Bürgeranfrage von Anwohnerin und Quartiersrätin Conny Breitkreutz zum monatelangen Stillstand trotz BVV-Beschluss von vergangenem Sommer gab Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) zu, dass „die letzten zwölf Monate kein Ruhmesblatt für den Bezirk waren“. Die endlose Geschichte um das denkmalgeschützte Bildungshaus bezeichnete er als „die kleine Gorch Fock der Liegenschaftspolitik Berlins“. Es gebe Verschiebungen, auch um „dem Raumbedarf für die vorschulische Sprachförderung gerecht zu werden“. Der Bezirk habe sich zudem wegen der vielen Vorschriften „beim Handling in der Umsetzung verheddert“. Das Zwischennutzungskonzept soll jetzt überarbeitet werden.

In den Räumen des bisherigen Jugendklubs im Erdgeschoss soll es Sprachförderkurse für Vorschulkinder geben. Bisher war von einem „offenen, bedarfsorientierten Angebot“ die Rede. Das Quartiersmanagement wollte dort ein Kiezcafé einrichten. In das Haus wollen auch die Freiwilligenagentur, das Lotsenprojekt „die brücke“ und eine Nachbarschaftsinitiative ziehen. Das zweite Obergeschoss ist als Probenraum für Studenten der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ aus dem Fachbereich Tanz vorgesehen.

Noch nicht auf der Investitionsliste

Das Haus der Volksbildung steht noch nicht auf der Investitionsliste des Bezirksamtes. Vor einer langfristigen Nutzung muss es umfangreich saniert werden. Bis die Pläne stehen, sollen die leerstehenden Etagen zur Zwischennutzung für den Kiez zur Verfügung gestellt werden.

Den kommunalen Jugendclub in der Badstraße 10 gibt es seit den 1980er-Jahren. Er war bis vor acht Jahren bereits im ersten Obergeschoss des Vorderhauses untergebracht. Weil der Bezirk das Gebäude an den damaligen Liegenschaftsfonds abgeben wollte, um Kosten zu sparen, musste der Jugendclub 2010 ins Hinterhaus ziehen und sich die Räume mit Schülern der benachbarten Willy-Brandt-Oberschule teilen. Früher waren im Vorderhaus auch das Gesundheitsamt und die Musikschule untergebracht. Seit etlichen Jahren stehen die Etagen leer. Weil das Haus nicht an den Senat abgegeben wurde, konnte der Jugendclub 2014 wieder ins Vorderhaus ziehen.

Ganz oben wohnt seit vielen Jahren in der einstigen 100 Quadratmeter großen Hausmeisterwohnung die 87-jährige Urenkelin von Otto Wels. Der legendäre SPD-Politiker in der Weimarer Republik sagte 1933 in der letzten freien Rede im Deutschen Reichstag zur Begründung der Ablehnung des Ermächtigungsgesetzes der NSDAP den berühmten Satz: „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht.“

Jugendberufsagentur plante "Talente Check"

2016 gab es Überlegungen, das Haus der Volksbildung für ein „Talente Check Berlin“ der Jugendberufsagentur auszubauen. Der Bezirk hatte sich damals gegen eine mögliche Verdrängung des Jugendclubs gewehrt.

Das Haus der Volksbildung in der Badstraße wurde von 1913 bis 1915 nach Plänen von Ludwig Hoffmann erbaut. Der Architekt und Stadtbaurat hat auch den Märchenbrunnen im Volkspark Friedrichshain, die Volksbadeanstalt Oderberger Straße, das Märkische Museum und das Alte Stadthaus entworfen. Im Erdgeschoss waren ursprünglich eine Rettungswache und Schulküche untergebracht. In den oberen Stockwerken gab es eine öffentliche Bücherei, eine Steuerannahmestelle, die Wohnung des Direktors der 8. Pflichtfortbildungsschule und zwei kleinere Wohnungen für städtische Beamte. Das Haus der Volksbildung wird bisher vor nur von vorrangig migrantischen Jugendlichen genutzt.

Autor:

Dirk Jericho aus Mitte

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