Neue Erkenntnisse zum Kriegsende

Wladimir Galls Hallenser Freunde Günter Lehmann (l.) und Peter Sodann kamen zur Gründung der Bürgerinitiative nach Spandau. | Foto: Christian Schindler
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Haselhorst. Die Heimatkundliche Vereinigung Spandau erinnerte am 9. September im Gotischen Saal der Zitadelle an das Ende des Zweiten Weltkriegs. Zugleich stellte sie neue Erkenntnisse vor, die sich auf Berichten von Zeitzeugen stützen.

Die besondere Bedeutung des 9. Septembers 2015 betonte Bürgermeister Helmut Kleebank (SPD). Es sei der vierte Todestag des sowjetischen Germanisten und Offiziers Wladimir Gall, der an den Kapitulationsverhandlungen der Zitadelle beteiligt war, und um dessen Gedenktafel es seit längerem Streit gibt.

Und dieser Streit dürfte sich mit dem Blick in die Geschichte eher verschärfen. Wladimir Gall nämlich hat die Periode um den 1. Mai 1945 als Zeit beschrieben, in der er wesentlich an den Verhandlungen zur Übergabe der Zitadelle beteiligt war. Diese Verhandlungen sollten – so Gall – sowohl das Bauwerk sichern als auch ein Blutvergießen auf deutscher und sowjetischer Seite verhindern.

Nach den neuen Erkenntnissen, die der Historiker Markus Falk vor allem durch Zeitzeugen gewinnen konnte, hatte es sich jedoch bei den Geschehnissen rund um die Zitadelle um einen längeren Prozess gehandelt. Dieser Prozess sei nach dem Besuch Galls, der als sowjetischer Parlamentär gemeinsam mit Major Grischin gekommen war, noch nicht abgeschlossen gewesen. Den Zeitzeugen-Berichten nach gab es sehr wohl einen Beschuss der Zitadelle durch sowjetische Geschütze, dem sogar der Kommandant der Festung zum Opfer fiel. Während der späteren Übergabe-Verhandlungen waren sich die deutschen Offiziere nicht sicher, ob die militärische Lage tatsächlich so war, wie von den Sowjets geschildert – nämlich dass Berlin erobert und ein Standhalten an der Havel sinnlos war. Um dies zu überprüfen, gestatteten die sowjetischen Militärs einem deutschen Leutnant, die Zitadelle zu verlassen und den Umfang der sowjetischen Stellungen in der Umgebung zu überprüfen. Dieser Offizier soll übrigens bei seinem Besuch von den Rotarmisten sehr herzlich empfangen worden sein. Unklar ist auch, ob sich die bisherige Sicht halten lässt, dass auch SS-Einheiten in der Zitadelle anwesend waren. Falk hat keine Hinweise gefunden. Ehemalige Soldaten berichteten ihm, dass die deutsche Wehrmacht offenbar nur wenig Personal auf der Festung stationiert hatte – zwar ausgerüstet mit Waffen, aber ohne Munition.

Während sich der Forschungsstand über die Zeit des Kriegsendes verbessert, hat sich eine Bürgerinitiative zusammengefunden, die Wladimir Gall „angemessener als bisher“ gewürdigt sehen möchte. Bei der Gründung am 7. September war auch der Schauspieler Peter Sodann anwesend, der ebenso wie sein Schauspiel-Kollege Jaeckie Schwarz zu den Erstunterzeichnern gehören.

Schwarz hatte in Konrad Wolfs Film „Ich war 19“ seine erste große Rolle. Der Defa-Film von 1968 thematisiert auch die Vorgänge um die Zitadelle. Sodann kennt Gall noch aus seiner Zeit als Theaterindendant in Halle. Die Initiative fordert die Benennung des zur Zitadelle führenden Stichweges und der quasi gegenüberliegen Straße An der Spreeschanze nach Gall. CS

Autor:

Christian Schindler aus Reinickendorf

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