Als das Spandauer Volksblatt ein Wochenblatt wurde

Da waren wir schon seit ein paar Jahren keine Tageszeitung mehr. Die Jubiläumsausgabe zum 50. Jahrestag. Vollständig zu sehen unter www.verlagsservice-lezinsky.de
  • Da waren wir schon seit ein paar Jahren keine Tageszeitung mehr. Die Jubiläumsausgabe zum 50. Jahrestag. Vollständig zu sehen unter www.verlagsservice-lezinsky.de
  • hochgeladen von Olaf Lezinsky

Nach der Einstellung der Tageszeitung und der Weiterführung des SPANDAUER VOLKSBLATT als kostenloses Wochenblatt im Februar/März 1992, mussten sich die beiden Mitgesellschafter Rainer und Olaf Lezinsky beruflich neu orientieren. Rainer Lezinsky war viele Jahre lang technischer Betriebsleiter und später Geschäftsführer und Olaf Anzeigenverkaufsleiter im Verlag gewesen. Die Verlegerin Ingrid Below-Lezinsky fungierte weiter als Herausgeberin und veranstaltete Leserreisen. Der jüngere Bruder Lars war in die Reisebranche gegangen. Entgegen vielen Ratschlägen entschieden sich die Gebrüder Lezinsky als freie Anzeigenvertreter für das neue SPANDAUER VOLKSBLATT zu arbeiten. Der Verlagsservice Lezinsky begann seine Arbeit als „Gesellschaft bürgerlichen Rechts“. Hier ein persönlicher Blick zurück von Olaf Lezinsky und eine Zusammenschau vieler Veränderungen in der Pressebranche seitdem:

Zuerst wurden wir von vielen ausgelacht. Verleger, die plötzlich Anzeigenvertreter sind! Wie sollte das gut gehen. Und an die Zukunft des neuen SPAVO glaubten nicht viele. Und unsere Situation war tatsächlich etwas kurios. Die ersten Monate hatten wir unseren Geschäftssitz im fast menschenleeren und verwinkelten Verlagsgebäude in der Neuendorfer Straße 101 am Spandauer Hafenplatz. Dort belegten wir das ehemalige Druckereibüro und die „Räumchen“ der ehemaligen Kulturredaktion. Es war mitunter gespenstisch und uns besuchten die Geister der eigenen Kindheit, die wir ja teilweise in diesen Räumen verbracht hatten. Aber wir glaubten an das „neue“ Blatt. Das SPANDAUER VOLKSBLATT hatte einen guten Namen und der Vorgänger SPANDAUER ANZEIGER (SPAZ) war in den Jahren kräftig gewachsen. Es gelang auch schon frühzeitig Familien- und Traueranzeigen von der Tageszeitung in das neue Wochenblatt zu ziehen. Ein untrügliches Zeichen für die starke lokale Verankerung des Titels. Zu den großen Erfolgen gehörte auch die Durchführung der Spandauer Reisemesse mit dem Reisebüro Spandau. Und manch ein Inserent, der zunächst abgesprungen war, kehrte bald wieder zurück. Das stärkte das Blatt und erlaubte größere Seitenumfänge. Nun wurde ja alles ausschließlich durch Anzeigen und Beilagen finanziert.

Nach den ersten Monaten zog der Verlagsservice um. Die neuen Räume lagen nicht weniger kurios. In einer ehemaligen Produktionshalle am Brunsbütteler Damm hat der Axel Springer Verlag eine Zeitungsdruckerei für den Erich Lezinsky Verlag errichten lassen, um dort seine Anzeigenblätter gegen Bezahlung drucken zu lassen. Das war ein Teil des Sanierungskonzeptes für die neue Beteiligung. Durch Missverständnisse ging der lukrative Auftrag aber an eine andere Druckerei in Berlin. So nutzen wir nun übergangsweise das Druckereibüro mit dem Blick auf die menschenleere Rotationshalle als Domizil. Erst in der zweiten Hälfte der 90er Jahre ging es in die Altstadt Spandau. Ein Büro im Woolworth Haus, eines neben der Berliner Volksbank und nun seit Jahren im Foto Fehse Gebäude in der Breiten Straße 17. Immer zusammen mit der Spandauer Redaktion der Zeitung.

Um uns herum traten in den ersten Jahren viele Mitbewerber auf den Plan. Mehrere große Tageszeitungen bauten Ihre Spandau Berichterstattung stark aus, gründeten, wie die Berliner Zeitung, kurzzeitig sogar Lokalteile, die sich mit wenigen tausend Lesern aber nicht halten konnten. Das SPAVO dagegen erschien vom ersten Tag an und bis mit über 100.000 Exemplaren wöchentlich und erreicht laut Leseranalyse 2014 bis heute Woche für Woche 138.000 Leser. Es konnte sich auch kein anderes flächendeckendes Anzeigenblatt wirklich ernsthaft und auf Dauer in Spandau etablieren.

Der Verlag mit seinen neuen Eigentümern unterstützte unsere Selbständigkeit anfangs mit der Übergabe vieler treuer Inserenten. Aber schon bald mussten wir uns selber kümmern. Im Laufe der Jahre unterstützt von fleißigen Mitarbeitern – u.a. Jutta Matthias, Hartmut Grittke – die viele Spandauer Geschäftsleute heute noch gut kennen. Gleichzeitig machte sich die Zusammenarbeit mit dem Berliner Wochenblatt Verlag positiv bemerkbar. In die Ausgaben der später in BERLINER WOCHE umbenannten Wochenblätter in allen Berliner Bezirken, konnten wir von Spandau aus Werberaum hineinverkaufen und umgekehrt taten dies viele Kollegen „aus Berlin“ nach Spandau. Bis heute, aber nun alles wesentlich professioneller organisiert. 33 Ausgaben mit einer Auflage von 1,5 Millionen Exemplaren verbreitet der größte deutsche Anzeigenblatt Titel heute wöchentlich. Und nur in Spandau haben wir einen eigenen, älteren Namen!

Neben den zahllosen technischen Veränderungen brach ab 1995 auch das Internetzeitalter massiv in die Welt der Publizistik ein. Bis heute kommen den Tages- und anderen Kaufzeitungen immer stärker die „Erlösmodelle“ abhanden. Viele Anzeigenrubriken sind ins Netzt abgewandert. Bezahlte Auflagen und Anzeigenumsätze sinken scheinbar unaufhaltsam. Die drei großen Berliner Abonnementzeitungen kommen insgesamt nur noch auf circa 225.000 Abonnements und das beinhaltet bereits viele tausend elektronische Zeitungen. Aufgeteilt auf die vielen Berliner Bezirke erreichen die Tageszeitungen damit nur noch einen relativ geringen Anteil der Bevölkerung. Acht Millionen Euro Verlust erwirtschaftete alleine der Berliner Verlag (Berliner Zeitung, Kurier, Berliner Abendblatt) im abgelaufenen Jahr. Auch wenn viele Branchen auf Druckanzeigen nicht verzichten wollen oder können: Für den Qualitätsjournalismus in Deutschland wie überall auf der Welt sieht es traurig aus. Das es den – auch journalistisch - gut gemachten kostenlosen, lokalen Wochenblättern immer noch sehr gut geht, ist da ein Trost.

Die Zeitung machte sich in den Jahren seit der Umstellung als Lokalblatt wieder einen Namen. Walther Rimpler, Michael Uhde, Christian Schindler, Ulrike Kiefert, Thomas Frey und andere bekannte Journalisten standen und stehen seit Jahren zusammen mit der Zentralredaktion für die Qualität der lokalen Berichterstattung. Andererseits lässt sich ein Problem wirklich befriedigend kaum lösen. In einer Stadt mit über 200.000 Einwohnern, wie es Spandau nun einmal ist, reicht ein Erscheinen einmal die Woche kaum aus, um befriedigend über alles zu berichten. In kleineren Gemeinden kommen einzelne Vereine, Einrichtungen u.a. leichter in die Zeitungsspalten. Hier sollen in Zukunft Leserreporter, auch auf den Websites von www.spandauer-volksblatt.de Abhilfe schaffen.

Autor:

Olaf Lezinsky aus Spandau

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Folgen Sie diesem Profil als Erste/r

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 242× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wenn auch Sie mehr über Ihre Schulterbeschwerden erfahren möchten und sich über mögliche Behandlungsansätze informieren möchten, kommen Sie zum Informationsabend am 23. Mai. | Foto: B. BOISSONNET / BSIP

Wir informieren Sie
Schmerzen in der Schulter – Ursachen und Behandlungen

Schmerzen in der Schulter können vielfältige Ursachen haben – sei es durch Unfälle oder Verschleißerscheinungen. Diese Ursachen können die Beweglichkeit beeinträchtigen und die Lebensqualität stark einschränken. Unsere Experten, Dr. med. Louise Thieme und Robert Tischner, Teamchefärzte des Caritas Schulter- und Sportorthopädiezentrums, werden bei unserem Informationsabend speziell auf die Problematik von Schulterbeschwerden eingehen – vom Riss der Rotatorenmanschette bis zur Arthrose. Sie...

  • Pankow
  • 18.04.24
  • 209× gelesen
Gesundheit und Medizin
Wenn Hüfte oder Knie schmerzen, kann eine Arthrose die Ursache sein.

Infos für Patienten
Spezialthema: Arthrose in Hüft- und Kniegelenken

Sie leiden unter Schmerzen im Knie- und Hüftgelenk? Diese Beschwerden können verschiedene Ursachen haben, wie beispielsweise Unfälle, Verschleißerscheinungen, angeborene oder erworbene Fehlstellungen. Die Auswirkungen beeinflussen nicht nur die Beweglichkeit, sondern auch die Lebensqualität entscheidend. An diesem Infoabend möchten wir speziell auf die Arthrose in Knie- und Hüftgelenken eingehen. Die Behandlung von Arthrose erfolgt individuell aufgrund der vielfältigen Ursachen und...

  • Pankow
  • 19.04.24
  • 126× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Langanhaltende Schmerzen können ein Anzeichen für Gallensteine sein.  | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Wann ist eine OP sinnvoll?
Infos zu Gallensteinen und Hernien

Leiden Sie unter belastenden Gallensteinen oder Hernien (Eingeweidebruch) Langanhaltende Schmerzen begleiten viele Betroffene, unabhängig des Lebensalters, bevor sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung können jedoch häufig Komplikationen vermeiden. Wir sind auf die Behandlung dieser Probleme spezialisiert und bieten Ihnen erstklassige allgemein- und viszeralchirurgische Expertise. Von Diagnostik bis Nachsorge: Wir kümmern uns individuell um Ihre...

  • Reinickendorf
  • 17.04.24
  • 236× gelesen
Jobs und KarriereAnzeige
Foto: VEAN TATTOO
4 Bilder

Tattoo-Kurse
Ausbildung für Topberuf des letzten Jahrzehnts

Eine Frage, die immer aktuell ist, auch wenn man schon vor langer Zeit erwachsen ist. Sehr oft entscheiden wir uns aufgrund des sozialen Drucks für einen Beruf. Wie oft haben Sie sich gefragt, was aus Ihnen geworden wäre, wenn Sie auf sich selbst gehört hätten? VEAN TATTOO hat diese wichtige Frage vor zwölf Jahren ehrlich für sich selbst beantwortet und reicht daher ohne Zweifel allen, die über ihren ersten oder neuen Beruf nachdenken, eine helfende Hand. Es liegt an Ihnen, zu entscheiden,...

  • Mitte
  • 25.03.24
  • 1.569× gelesen
  • 1
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.