Vom Leben im ältesten Wohnhaus in Hellersdorf
Schornsteinfegermeister Bernd Müller war von 1963 bis 1997 auch für das Stadtgut Hellersdorf zuständig. Er erinnert sich an die Wohn- und Lebensverhältnisse der Menschen vergangener Zeiten.
Die kurze Straße Alt-Hellersdorf hatte auf der rechten Seite nur zwei zweigeschossige Häuser, in denen jeweils vier Familien lebten. Auf der linken Seite standen zwei alte Bauernhäuser. Das hintere Haus auf der Straße, vor dem Eingang des Gutes, nannte sich das Waagenhaus. Hier war eine Waage installiert. Hier wurden alle Bauernwagen, die das Gut befahren oder verlassen wollten, gewogen. Das Haus wurde um 1960 abgetragen und die Waage verschrottet.
Von den beiden Häusern aus Feldsteinen ist eine Bauernkate aus dem 19. Jahrhundert erhalten, in der damals noch vier Familien wohnten. Jede Wohnung hatte nur eine Kammer, einen Wohnraum und eine Küche. Das Haus wurde um 1850 gebaut und ist nicht unterkellert. Es besteht nur aus dem Erdgeschoss und dem Dachboden und steht seit Anfang der 1990er-Jahre leer.
Hier wohnte hinten rechts die Familie Schur. Zu meiner Zeit waren die vier Kinder schon erwachsen und wohnten und arbeiteten im Dorf. Jede Familie hatte zu ihrer Zimmerwohnung draußen auf dem Hof noch einen Schuppen, in dem auch das Plumpsklo war. Der Schuppen wurde auch als Stall für Kaninchen oder als Hühner-,-Gänse-, Enten- oder Ziegenstall genutzt. Zu jeder Wohnung gehörte ein Garten, in dem neben Gemüse und Kartoffeln auch Küchenkräuter angebaut wurden.
Am Tage spielte sich das Leben von Familie Schur in der Wohnküche ab. Früher brannte auf dem Herdblock ein offenes Feuer, wo Speisen in Grapen hingen. Das waren topfähnliche Gefäße mit Füßen, die in das Feuer gestellt wurden. Oder die Töpfe hingen in Ketten an einem sogenannten Hal. Das Hal war ein Eisenstab mir verstellbaren Haken, wo die Nahrungsmittel in Töpfen gekocht wurden.
Die Technik verbesserte sich im 19. Jahrhundert und im Herdblock wurde eine Kuhle für Holz als Brennmaterial eingelassen. Braunkohle war in unserer Gegend nicht gebräuchlich und Steinkohle brannte wegen der Zugverhältnisse nicht. Der Rauchgaszug wurde durch den Herd in die Wand verlegt und der offene Rauchfang über den Herd mit eisernen Klappen verschlossen.
Die Küche war bescheiden, aber zweckmäßig eingerichtet. Es gab keinen Wasseranschluss im Haus. Stattdessen stand in der Küche eine Wasserbank mit Eimer. Es gab auch keinen Abfluss. Das Abwasser wurde auf den großen Hof ausgeschüttet. Dieser war mit Gras bewachsenen. Hühner, Enten und Gänse knabberten das Gras ab. Eine Wasserleitung samt Abfluss und ein WC wurde erst in den 1970er-Jahren eingebaut.
In diesem Haus brachte ich 1988 in einer Wohnung, die baupolizeilich gesperrt war, meine Feuerstättensammlung unter. Leider bekam ich weder vom Bezirk noch vom Land Berlin Unterstützung. So musste ich die 700 Feuerstätten aus zehn Ländern, darunter teilweise 500-jährige Ofenplatten, zusammen mit vielen anderen Exponaten nach Sachsen geben. Familie Schur lebte in der alten Bauernkate noch unter einfachsten Verhältnissen.
Autor:Harald Ritter aus Marzahn |
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