Erinnerung an Gewaltopfer: Tatiana Zwiezinski zeigt "Märtyrerinnen"
Auf den ersten Blick sind die großen Räume der Galerieetage im Rückgebäude des Museums Reinickendorf mit farbenfrohen, abstrakten Gemälden gefüllt. Farben treffen wellenförmig aufeinander, überlappen sich. Darüber legen sich durchsichtige Schleier.
Erst der Blick auf die zu den Arbeiten von Tatiana Zwiezinski gehörenden Texttafeln enthüllt die Motivation der Bilder. Es geht um Einzel- oder Kollektivschicksale, und immer darum, dass Frauen Gewalt erfahren mussten. Fast eine ganze Wand füllt das Bild, das an die vergewaltigten deutschen Frauen am Ende des Zweiten Weltkriegs erinnert. Andere stehen für Einzelschicksale, ob nun die von ihrem Freund erschossene Südafrikanerin Reeva Steenkamp oder die deutsche Politikerin Petra Kelly.
Doch auch mit diesem Wissen haben die Bilder nichts Bedrohliches oder Beunruhigendes an sich. Laut Kunstamtsleiterin Dr. Cornelia Gerner werden die Bilder zu Stellvertretern für die gemeinten Personen. Sie vergleicht Zwiezinskis Werke sogar mit Grabsteinen, die für den Betrachter zum Gegenüber werden.
Die 1946 in Potsdam geborene Tatiana Zwiezinski ist mit ihrer Familiengeschichte auch der großen Historie verbunden. Sie ist Enkelin eines Obersts der Zarenarmee, auf der Vorfahrenliste stehen viele Militärs. Ein Großteil der Familie hat die russische Revolution von 1917/1918 nicht überlebt, andere hat es als Flüchtlinge nach Berlin verschlagen. Als Kind floh Zwiezinski mit ihren Eltern aus der DDR nach Hamburg, wo sie an der Hochschule für Bildende Kunst bei den Professoren Kai Sudeck und Gotthard Graubner studierte. Ihre Werke sind nicht nur in zahlreichen Ausstellungen in Deutschland zu sehen, sondern auch in Moskau und New York.
Zur Ausstellung ist ein 56-seitiger Katalog mit einem Text von Gräfin Tatjana von Dönhoff erschienen, der in der Ausstellung für sieben Euro erhältlich ist.
Autor:Christian Schindler aus Reinickendorf |
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