Zwei Karower stellen mit anderen die großen Schlachten der napoleonischen Zeit nach
Karow. Stefan und Jonas Hückler sind Zeitreisende. Sie ziehen sich regelmäßig Uniformen aus der Zeit der napoleonischen Befreiungskriege an und nehmen sie an Schlachten teil, wie sie vor 200 Jahren stattfanden.
Diese Gefechte aus der Zeit der Befreiungskriege sind natürlich nachgestellt. Sie finden in ganz Europa statt. Es gibt eine große Szene von Laiendarstellern, die die Ereignisse an Originalschauplätzen in Erinnerung ruft. „Uns geht es vor allem um die Geschichte“, sagt Stefan Hückler. „Man sieht hautnah, wie grausam, blutig und schrecklich diese Kriege waren. Für uns steht der Gedanke des Friedens im Vordergrund. Wir gehen davon aus: Die Schrecken des Krieges zu zeigen, soll mit dazu beitragen, Kriege zu verhindern.“ Diese Motivation teilen Vater und Sohn mit Tausenden anderen Historiendarstellern aus aller Welt. Bei den Schlachten spielen deutsche Darsteller napoleonische Soldaten, Schotten schlüpfen in die Rolle der Preußen, und Franzosen ziehen als Österreicher oder Russen ins Feld.
Wenn die Hücklers an einem der Orte auftauchen, an denen eine der Schlachten mit Napoleons Truppen nachgestellt werden soll, sind sie etwas Besonderes. Denn der 19-jährige Jonas sitzt wegen einer Muskelerkrankung im Rollstuhl. Er hat eine historische Uniform an, und ist ganz bei der Sache. Spätestens als er dem Reporter detailliert von Schlachten berichtet, wird klar: Jonas kennt sich bestens in der Geschichte aus.
„Mein Vater und ich sind vom Geschichtsvirus infiziert“, sagt der junge Mann und lächelt. Das Interesse der beiden an der europäischen Geschichte zu Beginn des 19. Jahrhunderts entflammte 2005. Seinerzeit erlebten sie die Nachstellung der Schlacht bei Großbeeren als Zuschauer. „Wir waren so fasziniert, dass wir gleich noch nach Austerlitz fuhren. Dort wurde seinerzeit die Schlacht gegen Napoleons Truppen vor 200 Jahren nachgestellt.“
Die Hücklers tauchten tiefer in die Geschichte jener Zeit ein. „Wir lasen viel und besorgten uns erste eigene Uniformen“, so Stefan Hückler. Seitdem findet man die beiden immer wieder in einem Biwak an den Originalschauplätzen. Sie zelebrieren das Feldlagerleben, begegnen Truppen aus unterschiedlichen Nationen, trafen schon Napoleon- und Marschalldarsteller.
„Viele denken ja, dass die Nachstellung von Schlachten eine Erfindung der Amerikaner ist“, erklärt Stefan Hückler. „Aber die historischen Ereignisse wurden bereits 1905 in Leipzig, Austerlitz oder Großbeeren nachgestellt. Durch die beiden Weltkriege geriet das aber in Vergessenheit.“ Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich dann in Westeuropa allmählich wieder eine Gemeinschaft von Historiendarstellern. In Deutschland ist sie heute vor allem in den südlichen Bundesländern sehr aktiv. „Als Historiendarsteller aus Berlin sind wir eher eine Ausnahme“, sagt Stefan Hückler.
Die historischen Uniformen und Kopfbedeckungen besorgen sich die Hücklers übers Internet. An die 20 französischen und preußischen Uniformen haben sie inzwischen in ihrem Fundus. In den vergangenen Jahren forschten Vater und Sohn auch zu ihrem Thema. Die Ergebnisse veröffentlichten sie 2013 im Buch „Franzosen um und in Berlin 1806-1813. Eine Spurensuche nach 200 Jahren“. Dieser Tage geben sie ein weiteres Buch heraus: „Das Reitergefecht bei Zehdenick. 210 Jahre vertuscht und vergessen.“ Am 24. Juni wird dieses Reitergefecht aus Anlass der 800-Jahrfeier von Zehdenick auf Initiative der Hücklers an Originalschauplätzen nachgestellt.
Die intensive Beschäftigung mit der Geschichte brachte sie vor einiger Zeit auf die Idee, Geschichtsführungen anzubieten. „In Berlin und Brandenburg gibt es so viele Spuren aus der napoleonischen Zeit. Da bot sich das einfach an“, sagt Stefan Hückler. Vater und Sohn machten sich unter dem Namen „Historienwanderer“ selbstständig. Sie bieten nun historische Führungen mit dem Schwerpunkt Befreiungskriege, aber auch zu anderen Themen an. Diese sind natürlich barrierefrei. BW
Autor:Bernd Wähner aus Pankow |
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