In Zukunft wieder Leben statt Verfall
Das ehemalige Kabelwerk Köpenick liegt seit Jahrzehnten im Dornröschenschlaf / Deutsche Wohnen plant Neubau

Das frühere Kabelwerk Köpenick verfällt seit rund drei Jahrzehnten. In Zukunft sollen dort 900 Wohnungen entstehen. Das alte Pförtnerhäuschen (links) soll auch in Zukunft erhalten bleiben, genauso wie die beiden Geschossbauten (eines davon im Hintergrund). | Foto: Philipp Hartmann
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  • Das frühere Kabelwerk Köpenick verfällt seit rund drei Jahrzehnten. In Zukunft sollen dort 900 Wohnungen entstehen. Das alte Pförtnerhäuschen (links) soll auch in Zukunft erhalten bleiben, genauso wie die beiden Geschossbauten (eines davon im Hintergrund).
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Zersplitterte Scheiben, auf dem Dach wachsende Bäume, verrosteter Stacheldraht und Graffiti überall. Das ehemalige Kabelwerk Köpenick ist eine dieser Ruinen, die in Berlin immer seltener zu finden sind. An der Friedrichshagener Straße direkt neben der Salvador-Allende-Brücke erstreckt sich ein riesiges Areal, das seit Jahrzehnten der Natur überlassen wird. Doch damit ist es in wenigen Jahren vorbei.

Neu ist hier nur das Schild der Kameraüberwachung. | Foto: Philipp Hartmann
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Informationen über die Geschichte des Werks zusammenzutragen, ist nicht mehr so einfach. Auch die Museen Treptow-Köpenick konnten auf Anfrage der Berliner Woche in ihrem Archiv nur ein paar alte Zeitungsartikel aus dem Jahr 1926, einen Auszug aus einem 1957 verfassten Schreiben des Werkdirektors an den Bürgermeister sowie ein Foto aus einer Schülerarbeit kurz vor der Wende finden. Aus den Unterlagen gehen zumindest die wichtigsten Eckdaten hervor. Gebaut wurde das Kabelwerk 1916. Dahinter steckte die Firma „C.J. Vogel Telegraphenfabrik“, die 1858 von Julius Vogel in Mitte gegründet wurde. 1889 siedelte das Unternehmen nach Adlershof über. Acht Jahre später wurde es als „Fabrik isolierter Drähte“ in eine Aktiengesellschaft umgewandelt.

Nahezu jede Fensterscheibe an dem Gebäude ist inzwischen kaputt. Die Grundstücksmauer ist mit Graffiti beschmiert. Gelegentlich werden dort auch Werbeplakate angeklebt. | Foto: Philipp Hartmann
  • Nahezu jede Fensterscheibe an dem Gebäude ist inzwischen kaputt. Die Grundstücksmauer ist mit Graffiti beschmiert. Gelegentlich werden dort auch Werbeplakate angeklebt.
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Durch den industriellen Aufschwung Anfang des 20. Jahrhunderts expandierten viele Berliner Fabrikanten in die Randbezirke und Vororte. Auch Julius Vogel vollzog diesen Schritt mit seinen beiden Söhnen, die in das Geschäft einstiegen. Neben neuen Fabriken in Adlershof und Schöneweide wurde dann auch das Werk in Köpenick gebaut. 1926 nannte sich die Firma abermals um in „C.J. Vogel Draht- und Kabelwerke A.G.“. 1939 übernahm Siemens. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde sie zu einem Betrieb der Sowjetischen Aktiengesellschaft, 1952 in Volkseigentum überführt und schließlich in Kabelwerk Köpenick umbenannt.

Skurriles Bild: Ein Baum wächst auf dem Dach, ein anderer aus dem Fenster. | Foto: Philipp Hartmann
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In einem Bericht aus dem Museumsarchiv wird erläutert, dass der Köpenicker Standort nötig wurde, weil die Fabrik in Adlershof zu wenig Fläche für die Aufnahme und Herstellung von Bleikabeln hatte. Bis dato war es auf isolierte Drähte beschränkt. Das Werk mit Zugang zur Spree habe damals über die modernsten Einrichtungen zur Herstellung von Schwach- und Starkstromkabeln verfügt. Diese sollten den Strom dorthin leiten, wo die Menschen ihn benötigten: zum Beispiel für den Fernsprechverkehr, für Staubsauger und Bügeleisen. Für die S-Bahnstrecke zwischen Wuhlheide und Erkner sei 1926 eine ganz neue Bauart eines Hochspannungskabels für 30 000 Volt geschaffen und in einer Länge von 18 Kilometern verlegt worden. Und das, obwohl Fachleute die Zweckmäßigkeit bezweifelt hätten. Arbeiten wie diese hätten der Firma Vogel einen Ruf als leistungsfähiges Werk nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland beschert. Der Bau des Köpenicker Werks sei vor allem dem wirtschaftlichen Weitblick von Max Vogel, Sohn des Firmengründers, zu verdanken gewesen. Die Leitung des Werks habe er als besondere Lebensaufgabe betrachtet, heißt es in einer Meldung zu seinem 75. Geburtstag aus dem Jahr 1939. Die Vogel-Werke hätten im Laufe der Jahre sehr vielen Menschen aus Adlershof, Friedrichshagen und Hirschgarten Lohn und Brot gegeben. Max Vogel sei ein wohlwollender und gerechter Chef gewesen.

Ein Treppenhaus in desolatem Zustand. Nahezu jede Fensterscheibe im Komplex ist inzwischen kaputt. | Foto:  Philipp Hartmann
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Seit Mitte der 90er-Jahre ist das Kabelwerk Köpenick geschlossen und verfällt. Inzwischen hat das Immobilienunternehmen Deutsche Wohnen das Grundstück erworben. Nach Auskunft des Bezirksamts sind etwa 900 Wohnungen, eine Grünverbindung und eine öffentliche Grünfläche mit Kinderspielplatz sowie eine Kita geplant. Möglichst bald, so heißt es, sollen die denkmalgeschützten Bauten zumindest teilweise saniert und neue Wohngebäude auf dem umliegenden Areal errichtet werden. Erhalten bleiben das Pförtnerhäuschen, die Grundstücksmauer an der Friedrichshagener Straße, die beiden Geschossbauten sowie jeweils zwei Achsen der Hallenkonstruktion westlich und östlich der Geschossbauten. Auch die Drehscheibe und die dazu gehörenden Gleise in Nord-Süd- und West-Ost-Richtung sollen bleiben. Nach einem Brand ließ die Deutsche Wohnen die aufgebrachte Notdachabdeckung erneuern, um den Erhalt des Gebäudes bis zur Grundinstandsetzung sicherzustellen.

Der Plattenbau gegenüber vom Toom-Baumarkt gehört nicht zum Kabelwerk Köpenick, wurde aber ebenfalls von der Deutschen Wohnen erworben. | Foto: Philipp Hartmann
  • Der Plattenbau gegenüber vom Toom-Baumarkt gehört nicht zum Kabelwerk Köpenick, wurde aber ebenfalls von der Deutschen Wohnen erworben.
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Baubeginn und Fertigstellung sind noch nicht benannt worden. Zuerst muss ein Bebauungsplanverfahren durchgeführt werden. Dies dauert mindestens zwei Jahre. Auch die Öffentlichkeit ist zu beteiligen. Ein konkreter Zeitpunkt dafür steht ebenfalls noch aus. So wird das Kabelwerk Köpenick wohl mindestens noch bis 2024 im aktuellen Zustand bleiben.

Autor:

Philipp Hartmann aus Köpenick

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