Verordnete schrieben offenen Brief zum Myfest an Senator und Polizeipräsident

Das Myfest macht den Eindruck eines großes Straßenfestes. So wird es auch von der Polizei bewertet. Der Bezirk sieht es dagegen weiter als politische Demonstration. Ohne diesen Status könne es nicht stattfinden. | Foto: Thomas Frey
  • Das Myfest macht den Eindruck eines großes Straßenfestes. So wird es auch von der Polizei bewertet. Der Bezirk sieht es dagegen weiter als politische Demonstration. Ohne diesen Status könne es nicht stattfinden.
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Kreuzberg. Ein Myfest 2016 rückt in immer weitere Ferne. Um ein endgültiges Aus noch abzuwenden, haben sich kurz vor Weihnachten vier Fraktionen der BVV in einem offenen Brief an Innensenator Frank Henkel (CDU) und Polizeipräsident Klaus Kandt gewandt.

Das Ziel des Schreibens: Beide sollen die Traditionsveranstaltung weiter als politische Versammlung bewerten. Wie berichtet, hat die Polizei im Oktober deutlich gemacht, dass die Maifeier für sie den Status eines normalen Straßenfestes hat. Hintergrund für diese Klarstellung war nicht zuletzt die Klage eines Anwohners gegen die Auswüchse beim Myfest 2015. Wegen der großen Zahl an Besuchern war die Sicherheit teilweise gefährdet. Unabhängig von der aktuellen Debatte wurden deshalb bereits Veränderungen angedacht.

Besteht die Polizei weiter auf ihrer Definition eines Straßenfestes, sieht sich der Bezirk nicht in der Lage, die Veranstaltung auf die Beine zustellen. Denn die Folge wäre nicht nur, dass er für die gesamte Organisation – von der Müllentsorgung bis zur Sicherheit – verantwortlich und nach eigenen Angaben damit überfordert wäre, sondern auch das Haftungsrisiko. Bei einem Unglück würde Friedrichshain-Kreuzberg in Regress genommen, was auch unabsehbare finanzielle Folgen nach sich ziehen könnte. Deshalb wird das abgelehnt.

Zukunft hängt vom Status ab

Wird das Myfest dagegen als politische Veranstaltung eingestuft, ist die Polizei stärker involviert und mit im Boot. Gerade, was die Sicherheit betrifft. So sei das auch in den vergangenen Jahren gewesen, als die Feier zusammen mit ihr, dem Bezirk und der Anwohnerinitiative organisiert wurde, betont Bürgermeisterin Monika Herrmann (Bündnis 90/Grüne).

Eine Einschätzung, die die Polizei so nicht ganz teilt und lieber von "Unterstützung" spricht, die es schon bisher gab und auch weiter geben soll. Ähnlich klingt das auch beim Innensenator, der außerdem darauf verweist, dass auch der Zuschuss von 215.000 Euro für das Myfest aus der Landeskasse weiter eingeplant sei. Das Geld ist nicht das Problem, kontert die Bürgermeisterin. Die Zukunft hänge einzig und allein vom weiteren Status ab.

Das Henkel und Kandt noch einmal deutlich zu machen, war der Sinn des offenen Briefs, den außer der CDU alle anderen BVV-Fraktionen unterschrieben haben. Blieben sie bei ihrer Entscheidung, würde das Myfest als Ganzes gefährdet, schrieben die Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Grüne, SPD, Linke und Piraten. "Natürlich werden trotzdem viele Menschen kommen, die dann jedoch ohne jeglichen organisatorischen Rahmen durch den Kiez wandern werden."

Zerstörte Geschäfte und Autos

Damit spielen sie auf die Zustände an, die vor dem Installieren der Fete im Jahr 2003 am 1. Mai in SO36 herrschten. Der Tag war einst gerade dort von gewalttätigen Auseinandersetzungen, zerstörten Geschäften und Autos geprägt. Die Idee des Myfestes war deshalb, dem Krawall dadurch zu begegnen, dass Anwohner und Besucher den Straßenraum besetzen. Das hat gerade in den vergangenen Jahren sehr gut funktioniert, wie auch die Polizei bestätigt. Die Zahl der Gewalttaten ist ebenso wie die der Festnahmen und der verletzten Beamten stetig zurückgegangen und hatte 2015 ihren bisherigen Tiefstand erreicht. Mit diesem Erfolg begründet der Bezirk auch, warum er das Myfest weiter als politische Veranstaltung sieht. Zwar wird dort eingeräumt, dass es inzwischen mehr den Eindruck einer großen Fete im öffentlichen Raum macht. Mit Musik auf zahlreichen Bühnen, Spaßprogramm und internationaler Verköstigung durch die Anwohner. Aber das alles sei gleichzeitig als Demonstration gegen mögliche Randale zu werten.

2016 ist Wahljahr

Diese Argumentation gipfelt vor allem in der Frage, was passiert, wenn es das Myfest nicht mehr geben würde. Sie hoffe, dass der Innensenator und der Polizeipräsident gerade darüber nachdächten, erklärte Monika Herrmann schon vor Wochen. Manche Bezirksverordnete wurden noch deutlicher: Mögliche Krawallbilder aus Kreuzberg am 1. Mai 2016 dürften erst recht in einem Wahljahr nicht im Interesse von Frank Henkel sein.

Der und Klaus Kandt tragen allerdings wiederum die Verantwortung, wenn sie das Myfest politisch einstufen und es dann etwa zu einem Unglück kommt. Die Haltung der Polizei resultiere aus den Erfahrungen von 2015, meint ein Insider. Nur mit viel Glück sei damals nichts Gravierendes passiert.

Welche Lösung sich daraus noch ergeben könnte, ist bisher völlig fraglich. Die Briefschreiber appellieren an einen gemeinsamen Dialog: "Lassen Sie uns überlegen, wie wir 2016 ein tolles Myfest organisiert bekommen, das Raum für Begegnungen und auch wieder mehr politische Debatten bietet." tf

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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