Alltag und Anekdoten aus dem All
Technikmuseum zeigt Ausstellung zu 40 Jahren deutsche Raumfahrt

Zwei Vertreter deutscher Raumfahrtgeschichte: Reinhold Ewald (links) und Eberhard Köllner. | Foto: Thomas Frey
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Es begann mit Sigmund Jähn. Der letzte in der Reihe ist aktuell Alexander Gerst. Elf Deutsche, alles Männer, waren bisher im Weltraum. Einige von ihnen zwei, einer sogar drei Mal. Und das in einem Zeitraum von 40 Jahren.

Das Jubiläum ist Anlass für eine Ausstellung im Deutschen Technikmuseum, die am 19. September eröffnet wurde. Anhand von rund 100 Exponaten erzählt sie die Geschichte der Expeditionen aus nationaler Sicht. Die ist schon wegen der besonderen Situation des einst geteilten Landes von Bedeutung. Denn Sigmund Jähn flog als DDR-Bürger zur sowjetischen Raumstation Saljut 6.

Schwerpunkt der Schau sind verschiedene, auch persönliche Gegenstände im Zusammenhang mit den All-Missionen. Sie stehen für Alltägliches und Anekdotisches aus und rum um ein Astronauten- oder Kosmonauten-Leben. Erzählend trugen dazu Eberhard Köllner und Reinhold Ewald bei. Köllner war 1978 Ersatzmann für Jähn und hat mit ihm die Vorbereitung absolviert. Ewald sah 1997 an Bord der Raumstation Mir die Erde 18 Tage lang von oben.

Dass sie zumindest beim Wettlauf in den Weltraum die Bundesrepublik hinter sich ließ, sorgte in der DDR vor 40 Jahren für einen riesigen Hype. Sogar eine Schallplatte wurde mit Jähn aufgenommen. Und auch der Sandmann trug einen Raumanzug.

Erst fünf Jahre später stieg mit Ulf Merbold der erste Westdeutsche in ein amerikanisches Space Shuttle. Merbold war danach noch zwei weitere Male im All, 1992 erneut bei einem Shuttle-Flug. Zwei Jahre später verbrachte er einen Monat an Bord der russischen Mir-Station. Die Veränderungen ab 1989 sorgten gerade in der Weltraumfahrt für eine enge Zusammenarbeit jenseits der bisherigen Machtblöcke. Es war die Zeit, in der sich Menschen wie Eberhard Köllner und Reinhold Ewald näher kamen. Berührungsängste seien sehr schnell überwunden worden, betonten sie. Dafür sorgte bereits die gemeinsame Aufgabe. Auch wenn es unterschiedliche Erlebnisse und Erfahrungen gab. Etwa wenn Eberhard Köllner vom Trainingsaufenthalt in der Sowjetunion berichtete. Ein Problem wäre fehlendes Toilettenpapier gewesen. Jähns Ansicht, zur Not genüge die "Prawda", erwies sich als keine Dauerlösung. Zumal die Parteizeitung ebenfalls nicht immer erhältlich war.

Während des Flugs von Reinhold Ewald brach ein Feuer in der Raumstation aus. Dank der Umsicht der Crew konnte es schnell gelöscht werden. "In wenigen Sekunden war die Gasmaske auf", erzählt er. Sie habe ihm das Leben gerettet und ist jetzt Teil der Ausstellung.

Ebenso wie sein Talismann im Weltraum, eine Hein-Blöd-Figur aus der "Sendung mit der Maus". Auch dazu gibt es natürlich eine Geschichte. Seine Begeisterung für die Raumfahrt sei als Kind in den 1960er-Jahren durch die Fernsehserie "Raumpatrouille" geweckt worden, sagt Reinhold Ewald. Vor allem der vor kurzem verstorbene Schauspieler Wolfgang Völz habe ihn dort begeistert. Völz war später die Stimme von Hein Blöd.

Weltraum kompatible Hygieneartikel oder eine Hausapotheke gehören ebenfalls zu den Fundstücken der Schau. Oder der Raumanzug von Reinhard Furrer. Furrer und Ernst Messeschmid waren 1985 die beiden nächsten Bundesrepublikaner im All. Furrer starb 1995 bei einem Flugzeugabsturz in Berlin-Johannistal.

Auch ein Wimpel des Fußballvereins Carl Zeiss Jena findet sich in der Schau. Ihn hatte Sigmund Jähn eingeschmugggelt. Er und seine drei sowjetischen Kollegen haben darauf unterschrieben.

Was wird im Weltall gegessen? Der Speiseplan reicht von einer Mischung aus Schrimpscocktail, Erdnusscreme und pürierten Erdbeeren über Curryhuhn bis Linsen mit Spätzle. Einige Gerichte konnten bei der Präsentation probiert werden.

Das und noch mehr sorgt für einen niederschwelligen Zugang, macht die Raumfahrt und ihre Protagonisten greifbar, birgt Interessantes, Wissenswertes und Skurriles. Und führt auch zu ihrem aktuellen Stellenwert.

Der sei heute weitaus höher, als vor 20 Jahren, stellte Tassilo Römisch fest. Er ist der Leiter des Raumfahrmuseums im sächsischen Mittweida, das vor allem die Erinnerung an den Jähn-Flug wach hält. Bei dessen 20-jährigem Jubiläum im Jahr 1998 sei es schwierig gewesen, dafür Aufmerksamkeit zu bekommen, erzählt Römisch. Ganz anders jetzt. Der inzwischen 81-jährige Sigmund Jähn habe einen wahren Interviewmarathon über sich ergehen lassen müssen.

Tassilo Römisch hat zu der Ausstellung einen wichtigen Beitrag geleistet. Auch Alexander Gerst war einer ihrer Geburtshelfer. Er besuchte vor einigen Jahren das Technikmuseum und hat ihm einige Exponate von seiner ersten Mission 2014 überlassen. Derzeit befindet er sich erneut auf der ISS im Weltraum und ist seit September dort Kommandant.

Das Thema Raumfahrt sei im Museum lange eigentlich kaum vorhanden gewesen, sagt dessen stellvertretender Direktor Joseph Hoppe. Nicht nur mit "40 Jahre Deutsche im Weltall" soll sich das jetzt ändern.

Zeitgleich mit der Vorstellung entschied die Lotto-Stiftung Berlin, dem Technikmuseum 781 000 Euro für den Ankauf einer Sojus-Landekapsel zur Verfügung zu stellen. Sie soll ein Herzstück der künftigen Dauerausstellung Luft- und Raumfahrt werden. Das Problem: Im Haus ist dafür eigentlich kein Platz mehr. Joseph Hoppe wüsste aber, wo es den geben könnte. In einem, vielleicht auch mehreren Hangars auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhof. Für diese Idee werden jetzt weitere Unterstützer gesucht.

"40 Jahre Deutsche im Weltall" wird bis 30. Dezember im Deutsches Technikmuseum in der Trebbiner Straße 9 gezeigt. Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag, 9 bis 17.30, Sonnabend, Sonntag, Feiertage, 10 bis 18 Uhr. Eintritt: acht, ermäßigt vier Euro. www.sdtb.de.

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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