Milieuschutz für den Weitlingkiez: Erhaltungssatzung beschlossen

In den vergangenen Jahren ist viel saniert worden im Weitlingkiez. Die Mietpreise stiegen entsprechend und liegen über dem Berliner Durchschnitt. | Foto: Müller
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  • In den vergangenen Jahren ist viel saniert worden im Weitlingkiez. Die Mietpreise stiegen entsprechend und liegen über dem Berliner Durchschnitt.
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Ob sich das Sprichwort vom langen Währen mit gutem Ende in diesem Fall bestätigt, muss die Zukunft zeigen. Fest steht, dass der Milieuschutz für den Weitlingkiez jetzt unter Dach und Fach ist. Damit kann der Bezirk künftig Luxussanierungen und die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen verhindern.

„Es war ein langer Weg bis hierhin“, sagt Birgit Monteiro (SPD), Stadträtin für Stadtentwicklung. „Aber wir haben nun eine echte Chance, die Gentrifizierung im Weitlingkiez aufzuhalten.“ In ihrer Mai-Sitzung hat die Lichtenberger Bezirksverordnetenversammlung (BVV) den Milieuschutz rund um die Weitlingstraße beschlossen. Das Bezirksamt will die Rechtsverordnung in diesen Tagen unterzeichnen und im Gesetz- und Verordnungsblatt veröffentlichen. Damit wird der Erlass verbindlich.

Rückblick: Noch im Jahr 2016 war das Stadtplanungsbüro Topos nach Untersuchungen im Quartier zwischen Frankfurter Allee, Bahntrasse, Lincoln- und Fischerstraße zum Schluss gekommen, dass eine Milieuschutzsatzung dort nicht nötig sei. Die Studie hatte „keinen relevanten demografischen und sozialen Strukturwandel“ festgestellt und befunden, dass die rechtlichen Voraussetzungen für den Erlass nicht gegeben seien.

„Schon damals war vielen Beteiligten klar, dass dies nicht so bleiben wird“, räumt Birgit Monteiro ein. „Wir haben das Gebiet gemeinsam mit der Mieterberatung vor Ort weiter beobachtet und auch auf Drängen der Milieuschutzinitiative Ende letzten Jahres eine Aktualisierung in Auftrag gegeben. Das Ergebnis ist nun ein anderes. Es zeigt, dass sich die Entwicklung in den vergangenen beiden Jahren stark beschleunigt hat und mittlerweile 50 Prozent der Bewohner verdrängungsgefährdet sind.“

„Die Untersuchung des Büros hat den Aufwertungs- und Verdrängungsprozess im Weitlingkiez bestätigt“, sagt auch Bürgermeister Michael Grunst (Die Linke). „Auf dieser Grundlage haben wir die Milieuschutzsatzung beschlossen. Sie ist eine mögliche und wichtige Maßnahme aber keine Wunderwaffe im Kampf um bezahlbaren Wohnraum oder gegen Verdrängung. Dazu bedarf es vielmehr einer mieterorientierten Bundesgesetzgebung.“

Gilt in einem Wohngebiet der Milieuschutz – genauer: die soziale Erhaltungsverordnung nach Paragraf 172 des Baugesetzbuchs – kann der Bezirk Luxussanierungen und die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen verhindern. Wohnungseigentümer müssen den Umbau beziehungsweise Abriss von Gebäuden ebenso genehmigen lassen wie Nutzungsänderungen. Die Bezirksverwaltung kann Anträge ablehnen oder an Auflagen binden. Sie kann anordnen, den Umfang der Modernisierung zu begrenzen, etwa in Bezug auf Panoramafenster, Aufzüge, ein zweites Bad, Fußbodenheizungen. Sie kann untersagen, Wohnungen zusammenzulegen, Grundrisse zu ändern oder Wohnungen als Gewerberäume zu nutzen. Außerdem hat der Bezirk die Möglichkeit, von seinem Vorkaufsrecht für Immobilien Gebrauch zu machen.

Das neue Milieuschutzgutachten des Topos-Büros führt eine Reihe von Ergebnissen auf, die den Strukturwandel im Weitlingkiez bestätigen: So liegt der Mietspiegel im Quartier über dem Berliner Durchschnitt. 38 Prozent der Haushalte bestehen erst seit 2012, es ist also ein reger Austausch im Gange. Wer nun in den Weitlingkiez zieht, muss erheblich mehr zahlen als die Vormieter. Familien, die seit Kurzem im Quartier wohnen, haben mehr Kinder und ein höheres Einkommen als Menschen, die dort seit Jahren leben. Die Ausstattung der Wohnungen für Neumieter ist besser. In Eigentum umgewandelte Wohnungen locken Besserverdiener in den Kiez, selbst dann, wenn sie zur Miete in der Eigentumswohnung eines anderen leben.

„Die Entscheidung für den Milieuschutz war überfällig“, kommentieren die Fraktionsvorsitzenden der Linken in der Lichtenberger BVV, Kerstin Zimmer und Norman Wolf. „Es ist dem Engagement vieler Mitstreiter aus dem Weitlingkiez zu verdanken, dass eine erneute Überprüfung der Voraussetzungen stattfinden konnte, woraufhin das Bezirksamt tätig geworden ist. Das Bezirksamt muss diese Instrumente nun anwenden und im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten Maßnahmen versagen, die den Mietpreis in die Höhe treiben.“

Für den 25. Juni um 18.30 Uhr ist eine Informationsveranstaltung geplant, auf der das Planungsbüro die Ergebnisse des Gutachtens ausführlicher vorstellen wird. Interessierte Anwohner sind in der evangelisch-freikirchlichen Gemeinde in der Heinrichstraße 31 willkommen.

Das Gutachten kann auf den Internetseiten der BVV heruntergeladen werden unter http://asurl.de/13vu.

Autor:

Berit Müller aus Lichtenberg

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