Zwei für den Milieuschutz im Weitlingkiez

Christian Petermann (links) und Michal Grunst von den Linken glauben, dass es Zeit ist, den Weitlingkiez zu schützen, damit Bewohner nicht verdrängt werden. | Foto: Schilp
  • Christian Petermann (links) und Michal Grunst von den Linken glauben, dass es Zeit ist, den Weitlingkiez zu schützen, damit Bewohner nicht verdrängt werden.
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Lichtenberg. Die Mieten im Weitlingkiez steigen, etliche alteingesessene Bewohner fürchten sich vor Verdrängung. Deshalb haben die Bezirksverordneten eine Untersuchung auf den Weg gebracht – mit dem Ziel, das Quartier unter Milieuschutz zu stellen. Doch das beauftragte Stadtplanungsbüro Topos rät davon ab.

Rund 14 000 Menschen leben im Weitlingkiez. Begrenzt wird das Untersuchungsgebiet im Norden von der Frankfurter Allee, im Osten von der Lincolnstraße und der Marie-Curie-Allee, im Süden von der Lückstraße und im Westen vom Archibaldweg.

Würde das Quartier unter Milieuschutz gestellt – offiziell „soziale Erhaltungsverordnung“ genannt –, kann das Bezirksamt die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen und auch Luxussanierungen verbieten, zum Beispiel den Einbau eines zweiten Bades oder Balkons, Kamine oder teures Parkett. In Berlin gibt es 30 Milieuschutzgebiete, die meisten in Kreuzberg und Prenzlauer Berg. In Lichtenberg wäre der Weitlingkiez das erste. Doch Topos kommt in seiner Studie zu dem Ergebnis, dass hier ein „relevanter demografischer und sozialer Strukturwandel“ nicht stattgefunden habe. Damit seien die rechtlichen Voraussetzungen für einen Milieuschutz nicht gegeben.

Damit wollen sich jedoch die Linken nicht zufriedengeben. Sie verweisen auf eine Studie im Alt-Treptower „Kungerkiez“, die Topos fast gleichzeitig gemacht hat. „Dort hat das Büro einen Milieuschutz empfohlen, obwohl die Bedingungen im Weitlingkiez fast identisch sind“, sagt der Linken-Bezirksvorsitzende Michael Grunst. Und er gibt einige Beispiele: In beiden Gebieten wird der Anteil der verdrängungsgefährdeten Bevölkerung auf exakt 50 Prozent eingeschätzt. Im Lichtenberger Gebiet sind 56 Prozent der 27- bis 45-Jährigen erst in den letzten Jahren hierhergezogen, in Treptow sind es 59 Prozent. Die „Zuwanderer“ im Weitlingkiez zahlen 7,52 Euro Quadratmetermiete, im Kungerkiez ist es genau ein Cent mehr. „Wir verstehen nicht, wie es bei so ähnlichen Rahmenbedingungen zu so unterschiedlichen Einschätzungen kommen kann“, so Grunst.

Er lebt selbst im Weitlingkiez und freut sich darüber, dass das Quartier sein schlechtes Image abgelegt hat und neue Bewohner anlocke. Viele seien aus Friedrichshain-Kreuzberg, Pankow und Mitte hierhergezogen. Kitas, die vor Jahren fast leer gestanden hätten, platzten nun aus allen Nähten. Die Kehrseite: „Es ist inzwischen schwer geworden, eine bezahlbare Wohnung zu finden, und wird neugebaut, dann sind es Eigentumswohnungen.“

Es sei Zeit, die Reißleine zu ziehen, findet auch Grunsts Parteikollege Christian Petermann, der im Stadtplanungsausschuss sitzt. „Der Bezirk hat nur ganz wenige Instrumente, um Mietsteigerungen einzudämmen; er muss den Milieuschutz nutzen“, sagt er.

Die Bezirksverordneten haben nun den Stadtsoziologen Sigmar Gude von Topos zur nächsten Sitzung des Stadtplanungsausschusses am 1. September eingeladen. Dort soll er Rede und Antwort stehen und die Empfehlung des Büros begründen. „Vorher kann ich leider keine Stellungnahme abgeben“, sagt er auf Anfrage. Aber schon bei einem kurzen Blick auf die von den Linken zusammengestellten Zahlen habe er einen Fehler entdeckt. „Das stärkt nicht mein Vertrauen, hier würde es sich um eine einigermaßen solide Auseinandersetzung mit unserem Gutachten handeln.“ sus

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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