Termin im Amtsgericht: Räumungsklagen und Betreuungsverfahren nehmen zu

Die Abgeordnete Antje Kapek im Gespräch mit dem Richter Werner Gräßle. | Foto: Wrobel
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Lichtenberg. Im Amtsgericht Lichtenberg verzeichnet der Richter Werner Gräßle neue Trends: Es gibt immer öfter Streit um die Wohnung. Immer öfter brauchen Menschen auch einen Betreuer.

Werner Gräßle ist seit sechs Jahren Präsident des Amtsgerichts Lichtenberg und Richter. Gräßle weiß: „Die Gentrifizierung kommt langsam in Lichtenberg an.“ Wie sich dieser Trend im Amtsgericht niederschlägt und welche Schlüsse daraus gezogen werden können, darüber informierte sich jüngst die baupolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Antje Kapek, bei ihrem Besuch. Sie sieht die aktuelle Situation von Mietern in ganz Berlin kritisch: „Der Anreiz für Vermieter zu klagen und neu zu vermieten ist viel zu hoch.“ Als Direktwahlkandidatin in Lichtenberg fordert sie deshalb auch im Bezirk entsprechend einzugreifen. In Gebieten, die durch Gentrifizierung bedroht sind, könnten die Mieter durch eine Milieuschutzsatzung profitieren, findet Kapek.

Viele Mieter im Bezirk kommen tatsächlich oft in eine gefährliche Situation: „Wer Mietschulden hat, muss aufpassen“, sagt Werner Gräßle. Mehr als 6500 Verfahren zu Mietsachen werden derzeit am Amtsgericht Lichtenberg verhandelt. „Die Hälfte davon sind Räumungsklagen.“ Oft gewinnt der Vermieter: Wenn er dem Mieter fristgemäß gekündigt hat, habe der nur noch wenig Chancen, seine Wohnung zu behalten, so die Erfahrung des Richters. „Der gesetzlich verankerte soziale Schutz ist gering.“ Neben Räumungsklagen gibt es auch viele Eigenbedarfskündigungen im Bezirk, weiß der Richter. Auch das sei ein Indiz für Gentrifizierung.

Doch es sind nicht nur Mietprobleme, die im Amtsgericht verhandelt werden: Einen besonderen Stellenwert nehmen auch die Betreuungsverfahren ein. So gebe es immer mehr Menschen, die einen Betreuer zur Seite gestellt bekommen müssen, erklärt Werner Gräßle. In Lichtenberg werden derzeit 9300 Betreuungsverfahren geführt – die meisten aller berliner Bezirke. Das liegt auch an der demographischen Entwicklung: Es gibt immer mehr Hochbetagte. Erkrankungen wie Demenz nehmen zu. Gräßle: „Betreuer werden aber nur dann vom Richter bestellt, wenn die betroffene Person in bestimmten Bereichen für sich nicht mehr entscheiden kann.“

Es geht schon mal um Diamanten und Ü-Eier

Nicht zuletzt muss das Gericht auch immer öfter über Nachlässe entscheiden. „Da gibt es ganz kuriose Totensorge-Angelegenheiten“, weiß der Richter. Etwa, wenn die Angehörigen sich darüber streiten, ob die Asche der Oma zum Diamanten gepresst werden soll – diese Dienstleistung wird mittlerweile von vielen Bestattungsunternehmen angeboten.

Bedacht werden sollte auch die Art des Nachlasses. Denn so mancher Erbschaftswert setzt eine ungeahnte Expertise voraus: „Wir mussten auch schon einen Sachverständigen für den Inhalt von Überraschungseiern einschalten. Er hat einem Erben die Echtheit des geerbten ‚Flötenschlumpfes‘ dann tatsächlich bescheinigt.“ Diese Probleme, so der Rat des Richters, könnten meist mit einem rechtlich gültigen Testament vermieden werden. KW

Autor:

Karolina Wrobel aus Lichtenberg

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