Zu viele Fälle, zu wenig Mediziner: Ein Kinderarzt klärt auf

Der Kinderarzt Steffen Lüder arbeitet auch dann, wenn anderen am Samstag einfach nur frei haben. | Foto: Wrobel
  • Der Kinderarzt Steffen Lüder arbeitet auch dann, wenn anderen am Samstag einfach nur frei haben.
  • Foto: Wrobel
  • hochgeladen von Karolina Wrobel

Lichtenberg. Wie gut werden Kinder im Bezirk medizinisch versorgt? Darüber hat die Berliner Woche zuletzt berichtet, mit dem Fazit: Nicht nur Eltern beklagen, dass es ziemlich schwer ist, einen kurzfristigen Termin beim Kinderarzt zu erhalten. Der Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Dr. med. Steffen Lüder, gewährt einen Einblick in seinen Arbeitsalltag und zeigt damit, warum auch Eltern zur Terminverknappung beitragen.

"Wie kann ich Ihnen helfen", fragt Steffen Lüder eine Mutter, die ihr einjähriges Mädchen ins Behandlungszimmer führt. Der 50-jährige Arzt ist selbst Vater von zwei Kindern und kennt das Gefühl der Unsicherheit. Wenn etwa das Kind aus unerklärlichen Gründen Fieber hat oder Blut im Stuhl. Regelmäßig sitzen solche besorgten Eltern im Warteraum seiner Praxis am Prerower Platz oder bei einer der regelmäßig am Wochenende stattfindenden Sprechstunden im Sana-Klinikum. "Na dann wollen wir mal sehen", sagt er und untersucht das Mädchen. Die Mutter ist in die Klinik gekommen, weil das Kind Durchfall hatte und der Stuhl eine schwarze Farbe. Weil alles mit Blut durchzogen war, beschloss sie, noch am Wochenende einen Arzt aufzusuchen. Lüder beruhigt: "Das kann viele Ursachen haben. Die Farbe kann vom Kirschsaft oder von der roten Beete kommen. Auch ist das Blut nicht ungewöhnlich." Da ruft die Mutter überrascht: "Natürlich! Sie hat tatsächlich Kirschsaft getrunken! Gott sei Dank. Dann ist ja alles gut." Für den Facharzt ist eine solche Diagnose Alltag. "Schwerwiegende Fälle sind selten." Auch heute wird er die "üblichen Fälle von Scharlach, Gräserallergie, Durchfall und Zeckenstich" behandeln.

An Patienten mangelt es ihm nicht. Im Bezirk gibt es zu wenig Kinderärzte. Eltern beklagten bei der Berliner Woche bereits, dass es fast unmöglich sei, einen kurzfristigen Termin zu bekommen. Um dem entgegen zu wirken, bemüht sich das Bezirksamt mit einer "Willkommensinitiative" mehr Ärzte in den Bezirk zu locken. Doch Lichtenberg gilt im Gegensatz zu anderen Stadtteilen als unattraktiv. "Mehr Ärzte würden ohnehin nur ein Teil des Problems lösen", gibt Lüder zu bedenken. Vielen Eltern sei nicht bewusst, dass auch sie zum Problem beitragen: "Viele kommen mit Bagatellen." Allein im ersten Jahresquartal leistete Lüder damit 3060 Untersuchungen. "Ich fahre mein Personal teilweise auf Verschleiß."

Die Situation dürfte sich künftig verschärfen: Laut Bevölkerungsprognose des Landes Berlin steigen die Kinderzahlen im Bezirk. Zudem ist absehbar, dass viele der heute Niedergelassenen bald nicht mehr praktizieren – viele Kinderärzte sind älter als 60 Jahre, arbeiten schon jetzt nicht in vollem Umfang. "Ich bin mit 50 Jahren einer der Jüngsten", sagt er. Dass neue Ärzte nachrücken ist aufgrund eines Gesetzes nicht so einfach. Auch sei die Branche in einem Umbruch. "Es fehlen zunehmend Ärzte, die Praxen überhaupt übernehmen wollen." Für Lüder gibt es viele Faktoren, die zum Kinderärztemangel beitragen.

Nie bereut

Er selbst hat seine Entscheidung, sich hier niederzulassen, nie bereut. Im Gegenteil. Steffen Lüder ist auch in seiner Freizeit Arzt. Als im vergangenen Jahr Flüchtlinge im Bezirk untergebracht wurden, ist er mit einem Team losgezogen und impfte rund 1000 Menschen. "Das ist ja eigentlich die Aufgabe des öffentlichen Gesundheitsdienstes", sagt er. Doch auch hier fehlen Ärzte. Für dieses Engagement wurde er mit dem Preis für Demokratie und Courage ausgezeichnet. KW

Autor:

Karolina Wrobel aus Lichtenberg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Eine/r folgt diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

BauenAnzeige
2024 war Richtfest für die Grundschule in der Elsenstraße. | Foto: SenBJF
7 Bilder

Berliner Schulbauoffensive 2016-2024
Erfolgsgeschichte für unsere Stadt

Die Berliner Schulbauoffensive ist nach wie vor eines der zentralen Projekte unserer Stadt. Mit aktuell mehr als 44.000 neu entstandenen Schulplätzen setzt die Offensive ihre Ziele erfolgreich um. So wurden von 2016 bis 2023 bereits 5 Milliarden Euro in moderne Bildung investiert. Auch in den kommenden Jahren wird das derzeit größte Investitionsvorhaben für Schulen fortgesetzt. Die Offensive geht weiter und führt zu einer dauerhaft verbesserten schulischen Umgebung für unsere Schülerinnen und...

  • Charlottenburg
  • 13.12.24
  • 207× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 180.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom baut Netz aus
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Ab Dezember starten die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Borsigwalde, Friedenau, Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade, Lübars, Mariendorf, Neu-Tempelhof, Reinickendorf, Schöneberg, Spandau, Tegel, Waidmannslust, Wilhelmstadt und Wittenau. Damit können weitere rund 180.000 Haushalte und Unternehmen in Berlin einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant...

  • Borsigwalde
  • 11.12.24
  • 974× gelesen
WirtschaftAnzeige
Einstiegstüren machen Baden und Duschen komfortabler. | Foto: AdobeStock

GleichWerk GmbH
Seniorengerechte Bäder und Duschen

Seit März vergangenen Jahres ist die Firma GleichWerk GmbH in Kremmen der richtige Partner an Ihrer Seite, wenn es um den Innenausbau Ihres Hauses oder Ihrer Wohnung geht. Darüber hinaus bietet das Unternehmen auch seine Dienste für Hausverwaltungen an. Geschäftsführender Inhaber des Fachbetriebs ist Dennis Garte, der nach jahrelanger Berufserfahrung den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, wobei er über ein großes Netzwerk an Kooperationspartnern sowie angesehenen Handwerksfirmen verfügt....

  • Umland Nord
  • 04.12.24
  • 633× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 84.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom vernetzt
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten nun auch in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Friedrichshain, Karlshorst, Kreuzberg, Lichtenberg und Rummelsburg. Damit können nun rund 84.000 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2023 plant die Telekom insgesamt...

  • Alt-Hohenschönhausen
  • 11.12.24
  • 1.123× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 2.009× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.