Großer Run auf die eigene Scholle
2020 musste die Bewerberliste für Kleingärten in Lichtenberg geschlossen werden

Wolfgang Beyer ist seit 2019 Vorsitzender des Bezirksverbands der Gartenfreunde. In der Geschäftsstelle an der Köpenicker Allee 9 steht er vor einer Karte, auf der die Lage der Anlagen markiert ist. | Foto: Bernd Wähner
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Lichtenberger Kleingärtner sind mit Enthusiasmus in die neue Saison gestartet. Es wird umgegraben und geharkt, gesät und gepflanzt.

In diesem Frühling haben viele Zeit. Wegen der Pandemie kann man kaum etwas unternehmen. Zahlreiche Menschen im Homeoffice verlegen ihr „Büro“ in den Garten. Andere gehören zu Berufsgruppen, die wegen der Beschränkungen gar nicht oder nur reduziert arbeiten können. Und so ist viel Leben in den Anlagen. Und auch die Lust, im eigenen Garten zu werkeln, hat stark zugenommen.

„Wir bekamen im vergangenen Frühjahr immer mehr Bewerber auf unserer Warteliste“, berichtet Wolfgang Beyer, der Vorsitzende des Bezirksverbands Berlin-Lichtenberg der Gartenfreunde. „Statt sonst 700 bis 800 Bewerber standen plötzlich 1600 auf der Liste.“ Deshalb musste sie 2020 geschlossen werden. Normalerweise müssen Bewerber etwa zwei, drei Jahre warten. Ohne die „Notbremse“ hätte das Abarbeiten der Liste viel länger gedauert. Inzwischen laufen mit Bewerbern Gespräche. Und voraussichtlich am 1. Juni wird die Warteliste wieder geöffnet.

Dass sich plötzlich so viele Menschen für einen Kleingarten interessieren, liegt nach Meinung von Wolfgang Beyer unter anderem daran, dass sich viele Lichtenberger Anlagen in Wohngebieten befinden. Und die Bewohner merkten, dass es sich in einem Garten auch ganz gut im Homeoffice arbeiten lässt und man in den kleinen grünen Oasen ohne Maske und Einhaltung von Abstandsregeln gut entspannen kann. „Ich gehe davon aus, dass sich das mit den Bewerbungen wieder normalisieren wird“, sagt Beyer.

Unabhängig von der wohl coronabedingten Bewerbungsflut verzeichnet der Bezirksverband einen Generationswechsel. Die meisten der zirka 170 Parzellenkündigungen pro Jahr erfolgen aus Alters- oder Krankheitsgründen. „Viele junge Familien übernehmen Kleingärten. Der Altersdurchschnitt in unseren Anlagen ist um etwa zehn Jahre gesunken.“ Einem Teil der jüngeren Pächter geht es darum, selbst Obst und Gemüse anzubauen, um sich gesund zu ernähren. „Das ist aber nicht die Masse“, sagt Beyer. „Die Mehrheit sucht im Garten Erholung, möchte als Ausgleich zur Arbeit herumwerkeln oder pachtet wegen der Kinder.“

Derzeit gehören 27 Anlagen mit insgesamt 3000 Gärten zum Bezirksverband, viele davon mit über 100-jähriger Geschichte. Einen wegweisenden Beschluss fasste die Bezirksverordnetenversammlung 1992. Die bestehenden Anlagen sollten erhalten bleiben sollen. „So sind wir heute in der komfortablen Lage, dass 80 Prozent über Bebauungspläne gesichert sind“, sagt Wolfgang Beyer. Bei dreien werde daran gearbeitet. Das liege daran, dass das Land Berlin nicht oder nicht komplett der Flächeneigentümer ist.

Drei weitere Anlagen haben so wenige Parzellen, dass sie in größere Vereine integriert werden. „Das wollen wir bis Ende des Jahres, aber spätestens bis Mitte nächsten Jahres vollzogen haben“, sagt Wolfgang Beyer. Das betrifft die Anlagen Akazienwäldchen (neun Parzellen), Giselastraße (zwölf Parzellen) und Seddiner Straße (fünf Parzellen).

Das Verbandsleben kann derzeit nur eingeschränkt stattfinden. So fiel den Beschränkungen zum Beispiel das Apfelfest 2020 zum Opfer. Gemeinsam mit den Bezirksverbänden Hohenschönhausen, Marzahn und Hellersdorf lädt der Lichtenberger Verband dazu in der Regel alle zwei Jahre behinderte Kinder und Jugendliche auf die Freilichtbühne im Tierpark ein. Bis zu 1000 Kinder nehmen teil. Die in Europa einmalige Aktion soll möglichst wieder stattfinden. „Wir planen, das 12. Apfelfest für den 10. September zu organisieren“, berichtet Wolfgang Beyer. „Vorgespräche mit dem Tierpark haben wir bereits geführt. Ob es klappt, wird sich in den nächsten Wochen entscheiden.“

Weitere Informationen auf www.gartenfreunde-liberg.de

Autor:

Bernd Wähner aus Pankow

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