Kinderseelen nicht zerstören
Anti-Mobbing-Veranstaltung mit Carsten Stahl

Thorsten Karge bedankt sich bei Carsten Stahl mit einer Packung Pralinen. | Foto: Christian Schindler
6Bilder
  • Thorsten Karge bedankt sich bei Carsten Stahl mit einer Packung Pralinen.
  • Foto: Christian Schindler
  • hochgeladen von Christian Schindler

Der Mobbing-Experte Carsten Stahl forderte auf einer Veranstaltung der SPD Märkisches Viertel am 4. September im Fontane-Haus deutlich mehr Engagement der Politik gegen Mobbing in Schulen.

Seit Juni kam ein Thema immer wieder hoch, wenn der Vorsitzende der SPD Märkisches Viertel, Thorsten Karge, mit seinen Genossen an Infoständen im Kiez zu sprechen war: Mobbing unter Schülern. Und das hatte seinen Grund. Ende Mai begann Karge mit der Werbung für die Veranstaltung mit Carsten Stahl, der erst als Privatermittler auf RTL II populär wurde und sich seit gut vier Jahren gegen Mobbing einsetzt.

Die Mobbing-Erfahrungen kamen dann auch auf der Veranstaltung zur Sprache. Eine Mutter berichtete, wie das Mobbing gegen ihren Sohn keinen Lehrer interessierte, und er erst wieder richtig auflebte, als er die Schule wechselte. Eine andere Frau erzählt, wie sie früher gemobbt wurde und jetzt ihre eigenen Aggressionen an einer Arbeitskollegin auslässt, die zugleich ihre beste Freundin ist. Ein junger Mann erinnert sich, wie er wegen einer körperlichen Behinderung an der Schule gehänselt wurde und sich in der Folge heute noch automatisch bei der ersten Begegnung mit einem fremden Menschen fragt, ob der vielleicht etwas gegen ihn habe.

Als Junge wurde Stahl Opfer von Gewalt

Carsten Stahl selbst begründet sein Engagement mit eigener Mobbing-Erfahrung. Die zerstörte nicht nur seine Schulkarriere, sondern führte sein Leben erst einmal in die Kriminalität. Aufgewachsen in Neukölln, war er als zunächst dicklicher Junge Opfer einer Gruppe, die ihn täglich „abzog“ und extrem demütigend schikanierte. Die Folge: Er vermied es, zur Schule zu gehen. Als ihn die Gruppe einmal in eine Baugrube geworfen hatte, wollte er nur noch sterben. Stahl spricht davon, dass sich in Deutschland jeden zweiten Tag ein Kind wegen Mobbing das Leben nimmt.

Dass Carsten Stahl immer wieder seine Erfahrungen schildert, die ihn bis heute schmerzen, hat einen simplen Grund: Als er seinen eigenen Sohn zur Einschulungsfeier brachte, war er mächtig stolz – auch auf die Vorfreude seines Kindes auf die Schule. Am nächsten Tag war alles anders. Der Junge zog sich zurück, antwortete mit obszönen Schimpfworten auf die Frage der jüngeren Schwester, wie denn der erste Schultag gewesen war. Stahl erfuhr: Sein Junge war gleich am ersten regulären Schultag von älteren Mitschülern verprügelt worden.

"Ich dachte, Schule sei ein geschützter Raum"

Da stellte sich Stahl der eigenen Erfahrung: Mobbing ist wie ein Feuer, das kaum beachtet beginnt und am Ende Menschen zerstört – wie es ihm selbst beinahe ergangen wäre. Oft geht es vermeintlich unbedeutend los mit herabwürdigenden Bemerkungen, bis es sich in oft wiederkehrende Gewalt steigert. Und er sieht auch eine Verantwortliche: „Ich habe meinen Jungen in die Obhut von Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD) gegeben. Ich habe geglaubt, dass die Schule ein geschützter Raum ist.“ Das glaubt er mittlerweile schon lange nicht mehr. Inzwischen ist die Schulsenatorin ständiges Objekt seines Zorns: „Die versteht Prävention gegen Mobbing als Auftritt von Polizisten mit Handpuppen fürs Kasperletheater, während die Kinder auf ihren Smartphones Pornofilme sehen.“

Die ständigen Seitenhiebe auf die Senatorin bringen Stahl den Vorwurf eines Zuhörers ein, mit Sandra Scheeres das zu machen, was Mobbing-Täter ihren Opfern antun. Doch das lässt Stahl nicht gelten: „Als Politikerin muss sie das aushalten. Ich werde als Person des öffentlichen Lebens auch kritisiert.“ Stahls Zorn entzündet sich daran, dass die Senatorin sich nicht für die Auftritte des Mobbing-Experten erwärmen kann, der seine Expertise nicht in einem pädagogischen Studium, sondern als Opfer erworben hat, das beinahe vor die Hunde gegangen wäre. Und das sehen muss, dass Berlin für Prävention an Schulen pro Jahr nur 100.000 Euro ausgibt.

Setzt auch die Hertha ein Zeichen?

Inzwischen haben bundesweit 35.000 Schüler bei Stahls Auftritten ihre Haltung gegen Mobbing per Unterschrift bekundet. Und Anfang September wird Stahl beim Bundesliga-Spiel Hannover 96 gegen Hertha BSC seine Kampagne „Stoppt Mobbing“ bundesweit vorstellen. Die Hannoveraner werden mit der Aufforderung auf dem Trikot einlaufen. Stahl hofft, dass auch die Hertha mitmacht, und später auch die Nationalmannschaft. Denn Engagement gegen Mobbing braucht Vorbilder. Das können übrigens auch Politiker sein. Thorsten Karge, der auch stellvertretender Reinickendorfer SPD-Vorsitzender ist, und Stahl einlud, obwohl er von dessen kritischer Haltung zu Schulsenatorin Scheeres wusste, ist für ihn ein „Politiker mit Eiern“.

Konkrete Ratschläge hat Stahl für Kinder wie für Eltern. Eltern sollten reagieren, wenn ihr sonst aufgewecktes Kind sich plötzlich zurückzieht. Sie könnten das Kind dadurch zum Reden bringen, dass sie über eigene Mobbing-Erfahrungen sprechen. Und dann sollte der Kontakt zum Lehrer gesucht werden, oder auch, bei fehlender Reaktion, zu Schulleitung und Schulamt. Und Kindern rät er: „Du musst wissen, dass Du ein einzigartiger Mensch bist. Und wenn Du Hilfe brauchst, dann hole sie Dir.“

Autor:

Christian Schindler aus Reinickendorf

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

13 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

BauenAnzeige
2024 war Richtfest für die Grundschule in der Elsenstraße. | Foto: SenBJF
7 Bilder

Berliner Schulbauoffensive 2016-2024
Erfolgsgeschichte für unsere Stadt

Die Berliner Schulbauoffensive ist nach wie vor eines der zentralen Projekte unserer Stadt. Mit aktuell mehr als 44.000 neu entstandenen Schulplätzen setzt die Offensive ihre Ziele erfolgreich um. So wurden von 2016 bis 2023 bereits 5 Milliarden Euro in moderne Bildung investiert. Auch in den kommenden Jahren wird das derzeit größte Investitionsvorhaben für Schulen fortgesetzt. Die Offensive geht weiter und führt zu einer dauerhaft verbesserten schulischen Umgebung für unsere Schülerinnen und...

  • Charlottenburg
  • 13.12.24
  • 220× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 180.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom baut Netz aus
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Ab Dezember starten die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Borsigwalde, Friedenau, Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade, Lübars, Mariendorf, Neu-Tempelhof, Reinickendorf, Schöneberg, Spandau, Tegel, Waidmannslust, Wilhelmstadt und Wittenau. Damit können weitere rund 180.000 Haushalte und Unternehmen in Berlin einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant...

  • Borsigwalde
  • 11.12.24
  • 983× gelesen
WirtschaftAnzeige
Einstiegstüren machen Baden und Duschen komfortabler. | Foto: AdobeStock

GleichWerk GmbH
Seniorengerechte Bäder und Duschen

Seit März vergangenen Jahres ist die Firma GleichWerk GmbH in Kremmen der richtige Partner an Ihrer Seite, wenn es um den Innenausbau Ihres Hauses oder Ihrer Wohnung geht. Darüber hinaus bietet das Unternehmen auch seine Dienste für Hausverwaltungen an. Geschäftsführender Inhaber des Fachbetriebs ist Dennis Garte, der nach jahrelanger Berufserfahrung den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, wobei er über ein großes Netzwerk an Kooperationspartnern sowie angesehenen Handwerksfirmen verfügt....

  • Umland Nord
  • 04.12.24
  • 645× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 84.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom vernetzt
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten nun auch in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Friedrichshain, Karlshorst, Kreuzberg, Lichtenberg und Rummelsburg. Damit können nun rund 84.000 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2023 plant die Telekom insgesamt...

  • Alt-Hohenschönhausen
  • 11.12.24
  • 1.133× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 2.022× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.