Besuch im Industrie- und Filmmuseum Wolfen

Ein Chemietank und eine der ältesten Produktionshallen am Industrie- und Filmmuseum Wolfen. | Foto: Ralf Drescher
  • Ein Chemietank und eine der ältesten Produktionshallen am Industrie- und Filmmuseum Wolfen.
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Bis zum Ende der DDR war die Gegend um Bitterfeld ganz gewiss keinen Besuch wert. Gleich mehrere Chemiebetriebe stanken hier um die Wette, Bahnreisende verrammelten auch bei Sommerhitze bei der Durchfahrt schnell alle Fenster.

Wer in den 1980er Jahren in den Ferien nach Dresden, Warnemünde oder gar Bulgarien fuhr, nahm natürlich den Fotoapparat mit. Der war damals noch analog und wurde mit Filmen wie NP 20 (schwarz-weiß) oder dem von Nina Hagen besungenen Farbfilm UT 18 bestückt. Hergestellt wurden die Filme in der Filmfabrik Wolfen. Heute erinnert dort ein Museum daran.

Die Filmgeschichte von Wolfen begann 1910. Da die damalige Agfa-Filmfabrik in der Lohmühlenstraße in Berlin-Treptow mit der starken Luftverschmutzung durch Dampflokomotiven zu kämpfen hatte, baute man einfach eine neue Filmfabrik im sachsen-anhaltinischen Wolfen bei Bitterfeld. Schnell mauserte sich das Werk zur zweitgrößten Filmfabrik der Welt. Im Jahr 1936 wurde hier Geschichte geschrieben. Mit Agfacolor Neu verließ der erste moderne Farbfilm das Wolfener Werk. Er wurde als Umkehrfilm (Diafilm) für Kleinbildfotoapparate und Schmalfilmkameras hergestellt. Ein farbiger Kleinbildfilm kostete 3,60 Reichsmark, was ein stolzer Preis war. Trotzdem musste das Entwicklungslabor in Berlin im ersten Halbjahr 1937 bereits über 21 000 Filme entwickeln.

Die Maschinen, auf denen vor fast 80 Jahren die ersten Farbfilme hergestellt wurden, können in Wolfen noch heute besichtigt werden. Da die Maschinen eigentlich zur Herstellung von Schwarz-Weiß-Film konzipiert waren, musste das Auftragen der lichtempfindlichen Schicht für drei Grundfarben hintereinander erfolgen. Alle Arbeiten, außer die Herstellung des Trägermaterials, erfolgten unter Dunkelkammerbedingungen. Immer wieder wird beim Rundgang im Museum das Deckenlicht ausgeschaltet, so dass Museumsbesucher einen Eindruck von den Arbeitsbedingungen in der Filmfabrik bekommen. Auch alle anderen Arbeitsschritte, wie Zerschneiden des Films, Einstanzen der Perforation und Konfektionierung kann an den originalen Maschinen bewundert werden. Die bereits erwähnte Begießanlage, mit der der erste Farbfilm hergestellt wurde, war übrigens bis zum Ende der DDR in Betrieb.

Das Agfawerk in Wolfen hat zwei Weltkriege, Inflation, Nazizeit und in der DDR sogar den Namenswechsel zu ORWO (Original Wolfen) überlebt. Als 1989 die Wende kam, waren die einst gefeierten Filme aus Wolfen schon mehrere Jahrzehnte nicht mehr konkurrenzfähig und den Produkten von Kodak, Fuji und Co weit unterlegen. Mitte der 1990er-Jahre wurde die Produktion eingestellt. Das Industrie- und Filmmuseum Wolfen erinnert heute an eine viele Jahre erfolgreiche Geschichte.

Für die rund 160 Kilometer nach Wolfen über die A 9 bis Abfahrt Dessau-Süd und weiter über Landstraßen braucht man rund zwei Stunden. Wer will, kann nach dem Museumsbesuch noch im nahen Dessau Station machen und auf den Spuren von Bauhaus und Junkers-Flugzeugen wandeln.

Industrie- und Filmmuseum Wolfen, Bunsenstraße 4 im Chemiepark Areal A, 06766 Wolfen, 03494 63 64 46, www.ifm-wolfen.de. Öffnungszeiten: Di-So 10-16 Uhr, Führungen: 10, 12, 14 Uhr, Eintritt: 5 Euro, ermäßigt 2,50 Euro.
Ralf Drescher / RD
Autor:

Ralf Drescher aus Lichtenberg

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