Verjüngungskur für einen DDR-Klassiker
Der gerade unter Denkmalschutz gestellte Gendarmenmarkt soll ab 2022 saniert werden

Der Gendarmenmarkt und angrenzende Bauten sind jetzt ein Denkmal. Das marode Mosaikpflaster soll ab 2022 saniert werden. | Foto: Dirk Jericho
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Ein Jahr, bevor nach ewigen Querelen und Verschiebungen die Sanierung von Berlins schönstem Platz starten soll, hat das Landesdenkmalamt die Plattenbauten und den in der DDR neu gestalteten Platz unter Denkmalschutz gestellt.

Während im ganzen Land die Innenstädte mit ihren Altbaubeständen verfielen, wurde in der Hauptstadt der DDR geklotzt und nicht gekleckert. In Berlin wollten die SED-Oberen zeigen, wie modern und leistungsfähig die sozialistische Gesellschaft ist. „Der Gendarmenmarkt ist der bedeutendste Platzraum der Postmoderne in der DDR!“, sagt heute Kultursenator Klaus Lederer (Die Linke) mit Ausrufezeichen. 31 Jahre nach der Wiedervereinigung hat sein Denkmalamt den Platz und die DDR-Plattenbauten mit variantenreichen Fertigteilfassaden unter Schutz gestellt. Denn „auch dieses Erbe muss bewahrt werden“, so Lederer.

Gebäude und Ensembles der DDR bekommen immer mehr Anerkennung. Seit 2015 stehen das Haus des Berliner Verlages, das Haus des Reisens und die Weltzeituhr als prominente Bauwerke der DDR-Moderne am Alexanderplatz aus der Zeit um 1970 unter Denkmalschutz. Das Nikolaiviertel ist seit 2018 Flächendenkmal. Das Wohn- und Geschäftsviertel rund um die mittelalterliche Nikolaikirche gilt als architektonisches Vorzeigeprojekt der DDR.

Wie in einer Puppenstube haben die Architekten auf historischem Stadtgrundriss Häuser in Plattenbauweise rekonstruiert und mit Giebeln und Details an die Originalbauten angepasst. 2020 kam der 1984 eingeweihte neue Friedrichstadt-Palast unter Denkmalschutz. Auch das Wohngebiet um die Karl-Marx-Allee ist Teil des Denkmalensembles „Karl-Marx-Allee zweiter Bauabschnitt“, für das ein Antrag auf Aufnahme in die Unesco-Welterbeliste läuft.

"Wiedergewinnung und Neuinterpretation"

Der Gendarmenmarkt wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und als städtebauliches Großprojekt der DDR wieder aufgebaut. Die 1976 begonnenen und bis in die 1980er-Jahre andauernden Arbeiten umfassten den Wiederaufbau des Konzerthauses und der beiden Dome, die Neugestaltung der gesamten Freifläche und moderne Neubauten drumherum. Es war „das umfangreichste Bauprogramm zur Wiedergewinnung und Neuinterpretation eines historisch bedeutsamen Platzes in der Hauptstadt der DDR“, heißt es in der Erklärung der Senatskulturverwaltung. „Aufgrund ihrer geschichtlichen, künstlerischen sowie städtebaulichen Bedeutung“ stehen jetzt mehrere DDR-Plattenbauten an der südlichen, östlichen und westlichen Platzseite sowie der Platz selbst unter Denkmalschutz. Der Gendarmenmarkt hieß in der DDR wegen der dort angesiedelten Deutschen Akademie der Wissenschaften seit 1950 Platz der Akademie. „Für Touristen, aber auch für viele Berliner ist der Gendarmenmarkt ein historischer Platz aus dem alten Preußen. Tatsächlich aber stammt ein Großteil der Platzgestaltung aus den 1970er- und 1980er-Jahren“, sagt Europa-Staatssekretär Gerry Woop (Die Linke). Für Berlins Landeskonservator und Direktor des Landesdenkmalamtes, Christoph Rauhut, zeigt sich am Gendarmenmarkt, „dass Platte nicht gleich Platte ist und hier Fertigteile individualisiert und historische Vorbilder neu interpretiert wurden“.

Berlins schönster Platz soll nun endlich ab August 2022 komplett saniert werden, wie Verkehrsstaatssekretär Ingmar Streese auf eine CDU-Anfrage bestätigt. Die Arbeiten würden „in einem Stück“ realisiert und sollen Ende 2024 abgeschlossen sein. Konzerte, Weihnachtsmarkt und Schankgärten gibt es in dieser Zeit nicht. Die Komplettsanierung des maroden Gendarmenmarktes wird seit über elf Jahren geplant und hatte sich immer wieder verzögert. Zur mindestens zehn Millionen Euro teuren Schönheits-OP gehören ein neues Pflaster aus Granitplatten und Mosaikbeläge nach historischem DDR-Konzept. Der Platz bekommt barrierefreie Zugänge. Alle Versorgungsleitungen für Strom, Wasser, Medien und Abwasser werden unterirdisch verlegt. Die Schankvorgärten und Open-Air-Veranstaltungen können sich an versenkbare Elektranten und Platzsteckdosen anschließen.

Die 115 Kugelahorne am Französischen Dom bleiben nach einem Anwohnervotum von 2011 stehen. Für die Gastronomen auf dem Gendarmenmarkt wurde ein „Handbuch“ erarbeitet. In der Design-Bibel ist festgeschrieben, wo die sieben Schankgärten stehen und dass von November bis Februar Ruhe ist auf dem Platz. Erlaubt sind wie bisher nur zwei Veranstaltungen im Jahr: das „Classic Open Air“ und der „Weihnachtszauber Gendarmenmarkt“.

Autor:

Dirk Jericho aus Mitte

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