"Skandalöses Vorgehen"
"Papageienplatte" soll doch abgerissen werden

Abriss oder Sanierung? Um den Plattenbau wird seit Jahren gestritten. Jetzt soll er doch abgerissen werden.   | Foto: Ulrike Kiefert
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Die „Papageienplatte“ soll abgerissen werden. Das Bezirksamt verhandelt mit dem Eigentümer gerade über eine entsprechende Vereinbarung. Der Vergleich soll den mehrjährigen Rechtsstreit um die Habersaathstraße 40-48 beenden. Das größtenteils leer stehende Wohnhaus war mehrfach von Obdachlosen besetzt worden.

Das Bezirksamt Mitte will den Abriss des Plattenbaus an der Habersaathstraße nun offenbar doch genehmigen. Der Vergleich mit dem Eigentümer Arcadia Estate GmbH soll den jahrelangen Rechtsstreit um den Abriss oder die Sanierung des fast leer gezogenen Hauses beenden. Wie dieser Vergleich aussieht und an welche Bedingungen die Abrisserlaubnis geknüpft ist, teilten Bürgermeister Stephan von Dassel (Grüne) und Stadtentwicklungsstadtrat Ephraim Gothe (SPD) den restlichen Mietern in einem Schreiben mit.

Kompromiss mit dem Eigentümer

Dort heißt es im zweiten Satz: „Es freut uns Ihnen mitteilen zu dürfen, dass sich nun ein Kompromiss mit dem Eigentümer abzeichnet.“ Damit könne für alle Beteiligten eine „dauerhafte Lösung“ herbeigeführt werden. Die sieht zunächst so aus, dass die Mieter aus ihren preisgünstigen Wohnungen raus müssen. Während der Baumaßnahme – der Eigentümer will auf dem Grundstück neu bauen – sollen die Mieter laut Bezirksamt in eine Umsetzungswohnung ziehen können – entweder im Gebäudekomplex Habersaathstraße oder außerhalb, „aber weiterhin zentral im Zentrum der Stadt“. Beratend soll hier der Berliner Mieterverein zur Seite stehen. Ist der Neubau fertig, sollen die Altmieter zurückziehen können und in der neuen Wohnung mindestens zehn Jahre lang zu ihrer alten Miete wohnen dürfen. Alternativ wird eine Abfindung angeboten – sofern der Eigentümer zustimmt. Außerdem soll der Eigentümer verpflichtet werden, 30 Prozent der neuen Wohnungen zu einem Mietpreis von 6,50 bis 8,50 Euro pro Quadratmeter anzubieten. Wer dort einzieht, will das Bezirksamt entscheiden. Als Gegenleistung für all diese Bedingungen darf der Eigentümer abreißen und mehr als 120 Wohnungen neu bauen.

Kritik kommt von den Linken

Gar nicht damit einverstanden ist die Linksfraktion, die das Ganze als „faulen Kompromiss“ kritisiert. Denn jetzt stehe fest, dass 106 bezahlbare Wohnungen vernichtet und mit einem Luxusneubau ersetzt werden sollen, was das Bezirksamt hätte verhindern können. „Der geplante Abriss der Habersaathstraße zeigt erneut, dass weder private Eigentümer noch das Bezirksamt Mitte ein Interesse am Erhalt von bezahlbarem Wohnraum haben“, sagt Sven Diedrich, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der Fraktion. “Die Bezirksverordnetenversammlung hat mehrfach den Erhalt der Wohnungen beschlossen und das Bezirksamt aufgefordert, die Wohnungen dauerhaft zu sichern“, ergänzt die wohnungspolitische Sprecherin Martha Kleedörfer. „Der Vergleich zwischen Eigentümer und Bezirksamt ist ein Ausdruck der Arroganz der Macht. Hier ging es immer lediglich um Verwertungsdruck, nicht um die Bereitstellung von Wohnraum für die Schwächsten der Gesellschaft.“ Der Einzug der wohnungslosen Menschen nach der Besetzung im Dezember sei also nur eine vorübergehende Maßnahme gewesen, um dem Abriss ein vermeintlich menschliches Gesicht zu verleihen. „Doch er bleibt, was es ist: Ein schäbiger Deal, mit dem den Mietern und Mieterinnen dieser Stadt noch mehr bezahlbarer Wohnraum entzogen wird.“

Mit Erlaubnis des Eigentümers hatten im Januar dieses Jahres rund 50 Obdachlose nach mehrfacher Besetzung der Habersaathstraße 46 in 30 leere Wohnungen ziehen dürfen. Für Berlin ein Präzedenzfall. Die Hausverwaltung hatte die ehemals Obdachlosen kürzlich in einem Schreiben aufgefordert, bis zum 2. Mai wieder auszuziehen. Die Wohnungen sollen für geflüchtete Ukrainer frei werden. Dies konnte Bürgermeister Stephan von Dassel nach einem Gespräch mit dem Eigentümer abwenden, wie die rbb Abendschau berichtete.

"Das Angebot ist ein Witz"

Dass die Menschen wieder raus müssen und das Gebäude abgerissen wird, moniert auch die Initiative „Leerstand-Hab-ich-Saath“, die sich für die Obdachlosen engagiert. „Die Einigung betrachten wir als skandalöses Vorgehen des Bezirks“, sagt Sprecherin Valentina Hauser. Trotz jahrelanger illegaler Zweckentfremdung werde ein Abriss genehmigt und somit die Zweckentfremdungsverbotsverordnung missachtet. „Zudem ist das Angebot an die bisherigen Mieter ein Witz und die 30 Prozent bezahlbarer Wohnraum kann der Eigentümer aushebeln, indem er darlegt, dass dies für ihn nicht wirtschaftlich ist.“ Außerdem sei das Gebäude erst vor wenigen Jahren energetisch saniert und eine Photovoltaikanalage auf allen Dächern installiert worden. „Diese jetzt wieder abzureißen, ist blanker Hohn.“ 15 Jahre hätten die Bestandsmieter dafür gekämpft, bezahlbaren Wohnraum zu erhalten, so Hauser weiter. Nun würden mit dem Abriss auch die Obdachlosen wieder auf die Straße gesetzt.

Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

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