Wie weit geht Loyalität?
Hemingway-Schule in Mitte stimmt über Werte ab
Der Name ist Programm und gleichzeitig Appell. „Denk-Mal-Werte“ heißt soviel wie „Denk mal über Werte nach“. Damit eine Wertediskussion quer durch die Gesellschaft angestoßen wird, suchen Sascha Grammelsdorff und sein Team vom Verein „Denk-Mal-Werte“ seit fünf Jahren Schulen in Berlin und in den neuen Bundesländern auf.
„Es knackt an vielen Stellen in der Gesellschaft“, sagt Grammelsdorff, der ein Jugendfreizeithaus in Mitte leitet. Es gebe Kräfte, die nicht mehr in einer toleranten Gesellschaft leben wollten.
Um dieser Entwicklung etwas entgegenzusetzen, hat Grammelsdorff das Projekt „Denk-Mal-Werte“ entwickelt. „Es ist mein Baby.“ Angestoßen wurde es von Jugendlichen, die Grammelsdorff baten, etwas für den sozialen Zusammenhalt an ihrer Schule zu tun.
Abstimmung mit Urne und Wahlkabine
Im Kern besteht das Projekt aus der Durchführung einer Wahl nach allen demokratischen Regeln, mit Beteiligung aller, Wahlzetteln, Wahlkabine, Urne und, wenn nötig, Stichwahlen und dem Bau eines „Denkmals“.
Derzeit hat „Denk-Mal-Werte“ an der Hemingway-Schule in Mitte „angedockt“, wie Sascha Grammelsdorff es nennt. An der Oberschule in der Gartenstraße lernen rund 500 Schülerinnen und Schüler. 95 Prozent sind arabische Migrantenkinder aus Wedding. Ein herausfordernder Ort also. Da war es hilfreich, dass Schülervertreter Ahmad anfangs half, Wesen, Verlauf und Ziel des Projekts seinen Mitschülern zu erläutern - in altersgerechter Sprache.
„92 Prozent der Schüler wünschten sich das Projekt“, erklärt Grammelsdorff. Die Abstimmung über eine Teilnahme ist der erste von drei Projektschritten. Im Anschluss setzten sich die Hemingway-Schüler mit Werten wie Respekt, Toleranz, Gerechtigkeit, Vertrauen, Teamgeist und Loyalität auseinander, um dann ihren „Schulwert“, das künftige Leitmotiv der Schule auszuwählen: sie entschieden sich für Loyalität.
An den folgenden beiden Projekttagen zeigte sich rasch, dass Migrantenkinder unter Loyalität etwas anderes verstehen als ihre Mitschüler. Familie und Freunde sollten zusammenhalten und sich gegenseitig „bis aufs Blut“ verteidigen, so der Tenor.
„Unser Projekt hat nicht den Anspruch, etwas sofort zu ändern“, sagt Sascha Grammelsdorff. Es gehe darum, „nur den Kopf anzuschalten und darüber nachzudenken, dass andere etwas anderes unter dem gewählten Wert verstehen“.
Das Verständnis dafür wird dann auch eher auf spielerische Weise geweckt. So haben die Hemingway-Schüler eine Tafel mit Unterschriften versehen – und sind damit in eine bereitgestellte Fotobox gegangen. Jeder konnte sich allein oder in Gruppen von zwei bis drei Schülern mit seinem persönlichen, auf ein Schild notierten Wert fotografieren lassen. Der Spaß daran war groß und die Fotos hängen in der Schule an Wänden.
Ein Denkmal aus meterhohen Buchstaben
Höhepunkt des Projekts ist der Bau eines „Denkmals“. Wie es an der Hemingway-Schule aussehen wird, steht noch nicht ganz fest. Auf alle Fälle wird das Wort „Loyalität“ in meterhohen Buchstaben zu sehen sein. Zum Ende des Schuljahres, am „Wertschätzungstag“ am 17. Juni, soll es feierlich enthüllt werden.
Unterdessen bemüht sich der Verein um eine langfristige Finanzierung. Er ist inzwischen zwar bundesweit bekannt, erhält aber bislang noch keine Regelförderung.
Weitere Informationen gibt es auf www.denk-mal-werte.de.
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
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