"Langjährige Tradition des Wegschauens brechen"
Stiftung House of One und der Ekbo lassen Geschichte der Petri-Kirche in der NS-Zeit untersuchen

House of One: Die Geschichte des Standortes auf dem Petriplatz wird aufgearbeitet. | Foto: Kuehn/Malvezzi
2Bilder
  • House of One: Die Geschichte des Standortes auf dem Petriplatz wird aufgearbeitet.
  • Foto: Kuehn/Malvezzi
  • hochgeladen von Simone Gogol-Grützner

Die Stiftung House of One und die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (Ekbo) haben den Historiker Manfred Gailus damit beauftragt, die NS-Vergangenheit der Petri-Kirche und das Wirken ihres Pfarrers Walter Hoff zu untersuchen.

Auf dem Petriplatz wird derzeit das House of One errichtet, ein interreligiöses Gebäude, das unter seinem Dach eine Synagoge, eine christliche Kirche und eine Moschee beherbergen soll. Bis zu ihrem Abriss in den 1960er-Jahren stand auf dem Platz die Petri-Kirche, von deren Kanzel während der Zeit des Nationalsozialismus Pfarrer Hoff predigte, ein glühender Antisemit.

Hoff, den Joseph Goebbels als einen der „leider noch wenigen mutigen Geistlichen“ bezeichnete, war 1930 nach Berlin gekommen, zunächst an die Luisen-Gemeinde in Charlottenburg. Hoff trat in die NSDAP ein und engagierte sich in der Glaubensbewegung „Deutsche Christen“ für die Gleichschaltung der evangelischen Kirche. Er war SA-Standartenpfarrer und mischte auch bei Straßenkämpfen gegen Andersgesinnte mit. Hitlerkritische Pfarrerkollegen der Bekennenden Kirche denunzierte Hoff wiederholt im SS-Organ „Das Schwarze Korps“. In einem Brief aus dem Jahr 1943 prahlte er sogar damit, dass er als Offizier in Weißrussland „eine erhebliche Anzahl von Juden, nämlich viele Hunderte, habe liquidieren helfen“.

1936 trat Hoff seinen Dienst als „Propst von Kölln“ mit Pfarramt in St. Petri an. Es war eine Gemeinde ganz in seinem Sinn, in der die „Deutschen Christen“ bereits 1933 einen Festgottesdienst zum „Führergeburtstag“ gefeiert hatten.

Keine Aufarbeitung
in der Nachkriegszeit

"Pfarrer Hoff ist der bislang einzig bekannte Fall eines amtierenden evangelischen Theologen, der nach eigener Aussage aktiv am Holocaust auf den osteuropäischen Kriegsschauplätzen beteiligt war", heißt es in einer Mitteilung von Ekbo und Stiftung. Doch sei sein Wirken im Rahmen eines Disziplinarverfahrens in den Nachkriegsjahren nicht konsequent verfolgt worden. Stattdessen wurde er 1957 rehabilitiert.

Mit dem Abriss der Kirche schien es, "als ob damit auch die Erinnerung an die nationalsozialistische Vergangenheit der Gemeinde und ihres Pfarrers ausgelöscht war", so Stiftung und Ekbo. „Wir wollen mit der langjährigen Tradition des Wegschauens brechen“, sagt Rabbiner Andreas Nachama vom House of One, der auch Vorsitzender der Allgemeinen Rabbinerkonferenz in Deutschland ist.

Dies soll nun in Form einer Dokumentation geschehen, die der Historiker Manfred Gailus erstellen wird. Gailus, der zuletzt als Neuzeithistoriker am Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen Universität in Berlin lehrte, hatte Hoff in seinem 2001 erschienenen Buch „Protestantismus und Nationalsozialismus“ ein Kapitel gewidmet. Teil von Gailus‘ Auftrag ist die Dokumentation des aktuellen Forschungsstands sowie die genauere Beschäftigung mit der Geschichte der Gemeinde St. Petri und mit dem problematischen Umgang der Kirche mit Pfarrer Hoff in der Nachkriegszeit.

„Die Vorgeschichte der alten Propstei St. Petri ist Teil des House of One“, sagt Roland Stolte, Theologe und Verwaltungsdirektor der Stiftung House of One. „So, wie baulich das Gebäude sichtbar aus den alten Kirchenfundamenten emporwachsen wird, beziehen wir inhaltlich die 800-jährige Geschichte dieses Ortes und der Menschen, die hier wirkten, in die Grundidee des House of One mit ein.“ Marion Gardei, Pfarrerin und Beauftragte für Erinnerungskultur in der Evangelischen Kirche-Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, betont die Verantwortung der Kirche: „Für unsere Glaubwürdigkeit als Kirche ist es wichtig, dass wir uns auch dem Versagen und der Schuld ihrer Amtsträger in der Nazi-Zeit stellen. Der Fall Hoff ist ein Beispiel dafür, wie sich theologischer Antijudaismus zu Hass und Mord steigern kann, aber auch dafür, wie dies von der Kirche in den Nachkriegsjahren verdrängt und verdeckt wurde.“

House of One: Die Geschichte des Standortes auf dem Petriplatz wird aufgearbeitet. | Foto: Kuehn/Malvezzi
Standartenweihe im Grunewald im Sommer 1933 mit Pfarrer Hoff. | Foto: bpk/Carl Weinrother
Autor:

Simone Gogol-Grützner aus Zehlendorf

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

7 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

BauenAnzeige
2024 war Richtfest für die Grundschule in der Elsenstraße. | Foto: SenBJF
7 Bilder

Berliner Schulbauoffensive 2016-2024
Erfolgsgeschichte für unsere Stadt

Die Berliner Schulbauoffensive ist nach wie vor eines der zentralen Projekte unserer Stadt. Mit aktuell mehr als 44.000 neu entstandenen Schulplätzen setzt die Offensive ihre Ziele erfolgreich um. So wurden von 2016 bis 2023 bereits 5 Milliarden Euro in moderne Bildung investiert. Auch in den kommenden Jahren wird das derzeit größte Investitionsvorhaben für Schulen fortgesetzt. Die Offensive geht weiter und führt zu einer dauerhaft verbesserten schulischen Umgebung für unsere Schülerinnen und...

  • Charlottenburg
  • 13.12.24
  • 150× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 180.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom baut Netz aus
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Ab Dezember starten die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Borsigwalde, Friedenau, Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade, Lübars, Mariendorf, Neu-Tempelhof, Reinickendorf, Schöneberg, Spandau, Tegel, Waidmannslust, Wilhelmstadt und Wittenau. Damit können weitere rund 180.000 Haushalte und Unternehmen in Berlin einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant...

  • Borsigwalde
  • 11.12.24
  • 929× gelesen
WirtschaftAnzeige
Einstiegstüren machen Baden und Duschen komfortabler. | Foto: AdobeStock

GleichWerk GmbH
Seniorengerechte Bäder und Duschen

Seit März vergangenen Jahres ist die Firma GleichWerk GmbH in Kremmen der richtige Partner an Ihrer Seite, wenn es um den Innenausbau Ihres Hauses oder Ihrer Wohnung geht. Darüber hinaus bietet das Unternehmen auch seine Dienste für Hausverwaltungen an. Geschäftsführender Inhaber des Fachbetriebs ist Dennis Garte, der nach jahrelanger Berufserfahrung den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, wobei er über ein großes Netzwerk an Kooperationspartnern sowie angesehenen Handwerksfirmen verfügt....

  • Umland Nord
  • 04.12.24
  • 595× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 84.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom vernetzt
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten nun auch in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Friedrichshain, Karlshorst, Kreuzberg, Lichtenberg und Rummelsburg. Damit können nun rund 84.000 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2023 plant die Telekom insgesamt...

  • Alt-Hohenschönhausen
  • 11.12.24
  • 1.090× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 1.979× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.