Mit Zwangsstörungen umgehen lernen

Noch alle da? Menschen mit einer Zwangsstörung haben das Gefühl, bestimmte Handlungen immer wieder ausführen zu müssen. | Foto: Franziska Koark
  • Noch alle da? Menschen mit einer Zwangsstörung haben das Gefühl, bestimmte Handlungen immer wieder ausführen zu müssen.
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Der neurotische Privatdetektiv Adrian Monk aus der gleichnamigen TV-Krimiserie ist so einer: Er hat den krankhaften Drang, immer wieder Gegenstände zu überprüfen - er leidet an einer Zwangsstörung. Diese äußert sich darin, dass Betroffene aufdringliche und unkontrollierbar erscheinende Zwangsgedanken haben. Bestimmte Handlungen müssen sie deshalb wieder und wieder auszuführen.

Angelika Erhardt von der psychiatrischen Ambulanz am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München gibt ein Beispiel: "Sie kontrollieren vielleicht 20 oder 30 Mal, ob der Herd ausgestellt ist, weil sie Angst haben, sie könnten es doch vergessen haben und damit etwas Schlimmes verursachen." Dabei seien sie sich der Unsinnigkeit und Sinnlosigkeit dieser Gedanken und Handlungen zwar bewusst. Es gelinge ihnen aber trotzdem nicht, sie zu unterbinden.

"Etwa zwei von 100 Menschen entwickeln im Laufe ihres Lebens eine Zwangsstörung im krankhaften Sinne", sagt die Neurowissenschaftlerin. Dazu tragen viele Faktoren bei. Erbliche Veranlagung spiele eine Rolle, vor allem seien aber auch einschneidende Lebensereignisse und negative Kindheitserfahrungen, zum Beispiel eine von Druck und hohen Leistungsanforderungen geprägte Erziehung, relevant.

Kontrollzwänge sind eine häufige Form von Zwangserkrankungen. Aber auch Waschzwänge, Zählzwänge, Ordnungszwänge oder Krankheitsverläufe, die mehrere Zwänge einschließen, sind möglich. Auch Arne Schätzig (Name geändert) gehört zu letzterem Kreis. Nach einer vorübergehenden Phase mit Waschzwängen entwickelte er Kontrollzwänge, die ihn mehr und mehr beeinträchtigten. Schätzig kontrollierte Wasserhahn, Föhn oder andere elektrische Geräte.

In einer Phase seiner Erkrankung verbrachte Schätzig bis zu eine Stunde am Tag mit Kontrollgängen, kam manchmal zu spät zur Arbeit und musste sich mit Ausreden behelfen. "Das Schlimmste war, dass mich dieses Gefühl der Angst und der Anspannung, es könnte irgendwas passiert sein, den ganzen Tag lang verfolgt hat." Arbeiten und am Familienleben teilnehmen konnte er phasenweise gar nicht mehr.

Unbehandelt führen Zwangserkrankungen häufig in eine Abwärtsspirale mit immer stärker werdendem Leidensdruck. "Die wichtige Botschaft an die Betroffenen ist, dass man Zwänge heute sehr gut behandeln kann. Man ist ihnen nicht hilflos ausgesetzt", sagt Prof. Ulrich Voderholzer, ärztlicher Direktor der Schön Klinik Roseneck, Fachklinik für psychische und psychosomatische Erkrankungen, in Prien am Chiemsee. Am aussichtsreichsten sei eine speziell auf Zwangserkrankungen ausgerichtete Verhaltenstherapie, die eine Reizkonfrontation einschließt.

Dabei erlernen Betroffene, sich den zwangsauslösenden Reizen auszusetzen, ohne ihre Zwangsrituale auszuführen. Die Zwänge verschwinden meist nicht ganz, lassen sich aber häufig auf ein so geringes Maß reduzieren, dass sie den Alltag nicht mehr beeinträchtigen. Je früher die Behandlung beginnt, umso besser sind die Erfolgsaussichten.

Die Terminkalender spezialisierter Kliniken und Praxen sind oft auf lange Sicht voll. "Manche Patienten bekommen gesagt, sie sollen wegen eines Termins in einem Jahr noch mal anrufen", sagt Antonia Peters, Vorstandsvorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Zwangserkrankungen. Sie und ihre Kollegen unterstützen Betroffene bei der Arztsuche und dabei, rechtzeitig in Behandlung zu kommen. Patienten sollten unbedingt den Mut haben, sich zu öffnen und möglichst schnell eine Behandlung angehen, betont Peters.

dpa-Magazin / mag
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Ratgeber-Redaktion aus Mitte

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