Wenn der Blutzucker das Gleichgewicht verliert
Nur etwa zehn Prozent der Betroffenen gehören zur Typ 1-Gruppe, bei dem die insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse durch eine dauerhafte Entzündung zerstört werden - eine sogenannte Autoimmunkrankheit. 90 Prozent der rund sieben Millionen Diabetiker in Deutschland leiden unter Diabetes Typ 2. Bei ihnen kann das körpereigene Insulin nicht genügend wirken. Das kann erblich bedingt sein oder durch ein zu hohes Körpergewicht blockiert werden. Fehlt Insulin, steigt der Blutzucker an und kann bei Diabetikern nicht von den Zellen aufgenommen werden.
Obwohl sich beide Formen der Diabetes stark unterscheiden, sind die Folgen ähnlich. Zu den häufigsten Begleiterkrankungen zählen Bluthochdruck und hohe Blutfettwerte, Durchblutungsstörungen und Störungen des Nervensystems sowie Probleme mit den Augen, Zähnen und auch mit den Nieren, in denen sich Giftstoffe sammeln. Reiner Tippel ist an Neuropathie, das diabetische Fußsyndrom, erkrankt. Es ist eine Folge dieser Nervenerkrankung. Da die Nerven in seinen Füßen angegriffen sind, hat er Probleme beim Gehen. "Wenn die Empfindung in den Füßen gestört ist, belastet man sie oft falsch. So kann es zu schmerzhaften Knochenentzünden kommen", sagt Tippel. Als Vorsitzender des Berliner Diabetikerbunds setzt er sich dafür ein, über die Folgen der Krankheit zu informieren. Vor allem bei Typ 2 trete Diabetes als schleichende Entwicklung auf. Dadurch werden auch Begleiterkrankungen erst spät erkannt. Sie alle sind die Folgen eines zu hohen Blutzuckerspiegels. Ist der wieder im Lot können die Folgen der Diabetes behandelt werden. "Man kann die Neuropathie mit orthopädischen Einlagen oder Maßschuhen zwar nicht heilen, aber stoppen", erklärt Tippel. Das gilt auch für andere Begleiterkrankungen wie der diabetischen Retinopathie, der Schädigung der Netzhaut im Auge. Hier kommt es durch den hohen Blutzuckerspiegel zu Veränderungen der kleinen Blutgefäße und zu Wucherungen. Früh erkannt, kann auch diese Krankheit, die im schlimmsten Fall zur Erblindung führt, aufgehalten werden.
Tippel leidet auch an Retinopathie und weiß, wie wichtig regelmäßige Kontrolluntersuchungen sind. Trotzdem ist er der Meinung, dass "persönlicher Einsatz verdammt wichtig ist, wenn man als Diabetiker nicht noch kränker werden will." Überprüfen kann man den Blutzucker mit Teststreifen aus der Apotheke. Doch seit über einem Jahr bezahlen das die gesetzlichen Krankenkassen nur noch für Patienten, die Insulin spritzen müssen.
Zur Eigeninitiative gehören neben dem Blutzuckertest auch Sport, auf das Rauchen zu verzichten und eine gesunde Ernährung - keine Diät. "Diabetiker können grundsätzlich alles essen", sagt Marion Bohl vom Deutschen Herzzentrum in Berlin. Bei den Kohlenhydraten sollten sie allerdings besser die "komplexen" wählen, die den Blutzucker nicht rasant ansteigen und wieder abfallen lassen. Komplexe Kohlenhydrate sind in Vollkornprodukten enthalten, die der Körper langsamer verdaut. "Außerdem ist zu viel Obst nicht gut, da auch Fruchtzucker den Blutzucker in die Höhe treibt. Und um die Fettwerte im Zaum zu halten, rate ich zu pflanzlichen Ölen mit viel ungesättigten Fettsäuren statt zu Butter oder Schmalz", erklärt die Diätassistentin und Diabetesberaterin. Die Grundlagen einer Ernährungsumstellung, um Übergewicht zu vermeiden, gelten für Diabetiker genauso wie für Nicht-Diabetiker.
Autor:Jana Tashina Wörrle aus Charlottenburg |
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