Arbeitnehmer dürfen auch mal den Aufstand proben

Wer oft bis spät in die Nacht im Büro sitzt, sollte die Reißleine ziehen und aufbegehren. | Foto: Frank Rumpenhorst
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Das Überstundenkonto steht kurz vor dem Platzen, und der Chef macht immer mehr Druck: Der Jobfrust vieler Arbeitnehmer ist groß. Doch die Zeit, als man überlasteten Mitarbeitern nur den Besuch von Zeitmanagement-Seminaren empfohlen hat, scheint vorbei zu sein. Experten raten inzwischen dazu, sich zur Wehr zu setzen.

Die Zahlen, die das Beratungsunternehmen Gallup seit vielen Jahren zum Engagement der Beschäftigen in Deutschland erhebt, sind niederschmetternd. Nach der jüngsten Erhebung haben 24 Prozent der Arbeitnehmer innerlich gekündigt, 61 Prozent machen nur Dienst nach Vorschrift. Befragt wurden 2198 Arbeitnehmer ab 18 Jahren.

Karrierecoach Klaus Merg aus Waldstetten bei Ulm wundert das nicht. "Immer weniger Menschen müssen immer mehr Arbeit bewältigen." Und Martin Wehrle fügt hinzu: "Vieles, was die Arbeiter in Jahrhunderten errungen haben - wie geregelte Arbeitszeiten -, lassen wir uns wieder wegnehmen", sagt der Coach aus Appel bei Hamburg.

Die ständigen Forderungen, dass Mitarbeiter ihr Zeitmanagement und ihre Multitasking-Fähigkeit verbessern müssten, stießen längst an ihre Grenzen. "Die Leute schuften den ganzen Tag wie verrückt und sind auch nach Feierabend in permanenter Rufbereitschaft. Dadurch kriegt man den Job einfach nicht aus dem Kopf", sagt Wehrle.

Die Experten raten deshalb: Arbeitnehmer müssen den Mut haben, sich gegen diese Entwicklung zu wehren. "Jeden Abend länger im Büro zu bleiben, ist eine Kapitulation davor, dass man das geforderte Pensum während des Tages nicht schafft", erklärt Merg.

Wichtig im Kampf gegen die ständige Überlastung sei, dass man sich Mitstreiter sucht. "Der Druck trifft ja meistens alle Kollegen gleichermaßen", erzählt Wehrle. Gemeinsam habe man eine ganz andere Schlagkraft. "Wenn alle konsequent pünktlich Feierabend machen, dann gerät nicht ein Einzelner in Erklärungsnot."

Aber auch das Gespräch mit dem Chef sollten Mitarbeiter suchen. "Wenn er wieder mit neuer Arbeit kommt, dann muss man ihm klar aufzeigen, was dann stattdessen liegen bleibt." Wenn gar nichts helfe, und der Chef nur noch mehr Druck macht, rät Wehrle zu einer radikalen Lösung. "Dann muss man mal den Mut haben und ein Projekt gegen die Wand fahren lassen, damit das Unternehmen reagiert."

Aber das ist nicht ganz ungefährlich. Wer als Leistungsträger im Team anerkannt ist, kann sich eine Konfrontation mit dem Chef vielleicht noch leisten. Wer aber ohnehin zu den schwächeren 50 Prozent seines Teams zählt, bekommt dann womöglich erst recht Probleme.

Doch noch etwas ganz anderes kann man aus der Gallup-Studie über die Zufriedenheit der Deutschen mit ihrem Arbeitgeber schließen, sagt der Kölner Psychologe und Coach Manuel Tusch. "Wenn 85 Prozent der Menschen unzufrieden sind, dann heißt das: Man kann den Problemen nicht durch einen Wechsel des Arbeitgebers entfliehen." Woanders sei es meist auch nicht besser. "Wenn wir immer nur versuchen, den Job zu finden, der uns glücklich macht, dann werden wir nie am Ziel ankommen."

Sein Rat ist deshalb, nicht zu viel zu erwarten. Außerdem müsse man gar nicht immer danach streben, sein Glück im Job zu finden. "Wenn ich gerne Wertschätzung erfahren möchte, finde ich das auch nach Feierabend bei meiner Familie." Voraussetzung dafür ist natürlich, dass man beizeiten Feierabend macht.

Literatur: Martin Wehrle: "Bin ich hier der Depp?: Wie Sie dem Arbeitswahn nicht länger zur Verfügung stehen", Mosaik-Verlag, 400 Seiten, 14,99 Euro, ISBN 9783442392513; Thorsten Knödler, Klaus Merg: "Überleben im Job: So erreichen Sie einen Berufsalltag ohne Stress und Burnout", Redline-Verlag, 300 Seiten, 17,99 Euro, ISBN 9783868813531; Volker Kitz, Manuel Tusch: "Das Frustjobkillerbuch: Warum es egal ist, für wen Sie arbeiten", Heyne-Verlag, 256 Seiten, 8,99 Euro, ISBN 9783453650114.
dpa-Magazin / mag
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Ratgeber-Redaktion aus Mitte

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