Die Stadt wird zur Bürgergalerie
Im Rahmen des Projekts „Du bist am Zug“ kann jeder Fotos, Gedichte und Zeichnungen einreichen

Katya Assaf und Tim Schnetgöke machen mit "Du bist am Zug" die Stadt zur Galerie. | Foto:  Janka Haverbeck
  • Katya Assaf und Tim Schnetgöke machen mit "Du bist am Zug" die Stadt zur Galerie.
  • Foto: Janka Haverbeck
  • hochgeladen von Dirk Jericho

Im Juli und August werden auf 1500 City-Light-Plakaten der Werbefirma Wall Bilder, Sprüche oder Gedanken von Berlinern gezeigt. Jeder kann mitmachen, Vorgaben gibt es keine. Das Forschungsprojekt „Du bist am Zug“ ist „ein erster Versuch gemeinsam gestalteter Öffentlichkeit“, wie es heißt.

Von den Werbewänden schauen Models herab, es gibt Autoreklame, Werbung für Luxusimmobilien oder politische Botschaften im Wahlkampf. Die Kommunikation an öffentlichen Plätzen sei fest in der Hand von Kommerz und Politik, schreiben die Initiatoren Tim Schnetgöke und Katya Assaf zu ihrem sozialen Forschungsprojekt, das erstmals in Berlin startet. Jeder kann auf der Internetseite dubistamzug.net Fotos, Gedanken, Gedichte, Witze, Sprüche, Zeichnungen oder Bilder hochladen. Es gibt keine Vorgaben und keine Geschmacksjury. Alles ist möglich, solange sich die Beiträge im gesetzlichen Rahmen bewegen.

In Kooperation mit dem Schöneberger Urban Nation Museum und dem Stadtplakatierer Wall werden 1500 Beiträge auf Werbewänden in der ganzen Stadt gezeigt. Die Wall GmbH stellt ihre Werbevitrinen für das einzigartige Projekt kostenfrei zur Verfügung. Gehen mehr als 1500 Motive ein, entscheidet ein Zufallsgenerator, was im Juli und August gezeigt wird. So wird die Stadt im Sommer zu einer Art Bürgergalerie – mit Street-Art von Menschen, die hier leben oder zu Besuch sind.

Inklusiver und vielfältiger

Das Forschungsteam um den Fotografen Tim Schnetgöke und der Rechtswissenschaftlerin Katya Assaf beschäftigt sich mit Fragen der Bürgerpartizipation im öffentlichen Raum. Sie wollen es den Menschen ermöglichen, Plätze und Straßen mit ihren individuellen Beiträgen zu gestalten und diese dadurch „inklusiver und vielfältiger“ zu machen. Schnetgöke und Assaf beschäftigen sich schon länger mit Street-Art und Kunst im öffentlichen Raum. Das Projekt wird im Rahmen eines Forschungsprojektes an der Hebrew University in Jerusalem durchgeführt, an der Katya Assaf arbeitet. Sie findet, dass „Kreativität einen neuen juristischen Rahmen braucht: Neben dem Urheberrecht, das sich am kommerziellen Erfolg orientiert, sollte mehr Raum geschaffen werden, um sich zu äußern und wahrgenommen zu werden“, sagt sie. „Die interessantesten Geschichten hört man oft nicht, wenn man Fragen stellt, sondern wenn man schweigt und wartet, was einem erzählt wird“, sagt Assaf zur freien Themenwahl.

„Du bist am Zug“ ist ein Pilotprojekt in Berlin und soll später auch in anderen Städten stattfinden. „Berlin wird damit zur ersten Stadt, die einzelnen Menschen die Chance gibt, Inhalte ihrer Wahl mit Mitbürger*innen zu teilen“, heißt es. Bis zum 5. Juni können die Beiträge auf der Internetseite dubistamzug.net hochgeladen werden. Teilnehmen können alle, die sich aktuell in Berlin befinden. Auch Beiträge von Kindern sind willkommen, Eltern können die Beiträge in ihrem Namen einreichen.

Die ausgewählten Beiträge werden zwischen dem 5. Juli und 31. August an mehreren Orten auf Plakatwänden gezeigt. Alle Beiträge werden auf der Internetseite präsentiert. Die Leute sollen ihre Beiträge und Fotos von den Plakatwänden auch auf Sozialen Medien teilen. Die Teilnehmer bekommen im Juni eine E-Mail, ob der Beitrag ausgewählt wurde. An welchem Ort in der Stadt die Beiträge erscheinen, erfahren die „Plakatkünstler“ nicht.

Autor:

Dirk Jericho aus Mitte

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