Politiker unter Beobachtung
Das Internetportal abgeordnetenwatch.de will im Superwahljahr für Transparenz sorgen

Parlamentwatch-Sprecherin Lea Briand: „Wir wollen einen Dialog zwischen Politikern und Wählern auf Augenhöhe.“ | Foto: abgeordnetenwatch.de
  • Parlamentwatch-Sprecherin Lea Briand: „Wir wollen einen Dialog zwischen Politikern und Wählern auf Augenhöhe.“
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Am 28. Juli um 11 Uhr startet die gemeinnützige Organisation Parlamentwatch das Online-Frageportal abgeordnetenwatch.de zur Bundestagswahl am 26. September. Die Profile aller Direktkandidaten für die gleichzeitig stattfindenden Berlin-Wahlen gehen am 3. August online.

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) hat wohl keine Lust auf Bürgerfragen. Auf gerade mal 35 Fragen, die ihm in den vergangenen fünf Jahren gestellt wurden, hat er nur zwei Mal geantwortet. Bei der letzten von September 2018 lädt er den Frager, der Probleme mit einer Umschulung hat, zum Gespräch in sein Wahlkreisbüro. Fleißiger auf abgeordnetenwatch.de ist da seine Parteikollegin Dilek Kalayci, die immerhin 28 von 38 Fragen beantwortet hat. Die letzte am 5. Juli zur Maskenkritik von einem Herrn Röwe. Kalayci verweist nur knapp auf die vom Senat beschlossene Corona-Verordnung.

Ranking-Liste soll zum Antworten anspornen

Mit einer Antwortquote von 74 Prozent erreicht Kalayci den Antwortdurchschnitt von 80 Prozent der Tausenden Politikerprofile der 16 Landesparlamente, vom Bundestag und der deutschen EU-Abgeordneten. Die fleißigsten Politiker stehen in der Liste immer ganz oben. „Das soll auch ein Ansporn für die Politiker sein, den Bürgern zu antworten“, sagt Léa Briand, Sprecherin vom Verein Parlamentwatch. Hinter Kalayci folgen Turgut Altuğ (Grüne) mit 14 von 14 beantworteten Fragen und Harald Moritz (Grüne, 3/3).

Das 2004 in Hamburg gegründete Portal wird vom gemeinnützigen Verein Parlamentwatch betrieben. „Wir wollen einen Dialog zwischen Politikern und Wählern auf Augenhöhe“, sagt Briand. Das abgeordnetenwatch.de-Team erstellt die Profile aller Direktkandidaten, sodass jeder seinen Politiker befragen kann und im Profil nachschauen, welche Qualifikationen er hat, in welchen Ausschüssen er arbeitet, welche anzeigepflichtigen Nebentätigkeiten er angegeben hat und wie er bei wichtigen Entscheidungen abgestimmt hat. Jeder Direktkandidat kommt aufs Portal, ob er das will oder nicht, und kann sein Profil ergänzen und sich aktiv beteiligen. Der öffentliche Dialog schafft Transparenz. Was die Politiker hier von sich geben, bleibt für immer im Netz und sorgt für eine Verbindlichkeit. Auch viele Jahre später, selbst wenn die Politiker längst raus sind, kann man ihre Aussagen und Abstimmungen nachlesen. „Wir erhöhen so den Rechenschaftsdruck“, sagt Léa Briand.

230 000 Fragen gecheckt

Seit 2004 hat das Team von abgeordnetenwatch.de über 230 000 Fragen gecheckt. Durchschnittlich landen etwa 1000 Fragen im Monat bei den Politikern. Bevor etwas online geht, kontrollieren die Moderatoren den Inhalt. Fragen zum Privatleben, Beleidigungen oder Tatsachenbehauptungen ohne Quellen sind nach dem Moderationskodex nicht erlaubt. 13 geschulte Moderatoren nehmen jede Frage nach dem Kriterienkatalog unter die Lupe. Bei strittigen Fragen entscheidet ein Kuratorium als letzte Instanz, was geht oder nicht. „Das kommt extrem selten vor“, sagt Briand. Das Team steht auch im Kontakt mit den Abgeordnetenbüros. So weiß Briand zum Beispiel, dass der CDU-Politiker Peter Tauber, Ex-Staatssekretär im Verteidigungsministerium, alle Fragen immer persönlich beantwortet hat. Meistens machen das die Mitarbeiter in den Abgeordnetenbüros. Tauber hat wegen Krankheit im Mai sein Bundestagsmandat niedergelegt. Sein „Frage stellen“-Button ist deshalb deaktiviert. Sein Profil mit früheren Fragen und Antworten bleibt indes online.

Über Fragen seinen Favoriten finden

Zur Bundestagswahl schaltet abgeordnetenwatch.de befragbare Profile der fast 2500 Direktkandidaten frei. Für die Berliner Wahlen werden am 3. August die Profile aller Direktkandidaten aktiviert. In einer Suchmaske kann jeder schnell mit Postleitzahl oder Namen seinen Abgeordneten finden. Neu ist ein Kandidatencheck, bei dem man ähnlich wie beim Wahlomaten über Fragen seinen Favoriten finden kann.

Das abgeordnetenwatch.de-Team mit 35 Mitarbeitern hat Büros in Hamburg und in Kreuzberg. Die unabhängige Organisation finanziert sich nur über Spenden. Alleine oder gemeinsam mit Journalisten recherchiert das Team auch über Themen wie Lobbyismus, Parteispenden und Transparenz in der Politik. Zuletzt kamen wegen der Recherchen und Enthüllungen Karl Lauterbach (SPD) und Annalena Baerbock mächtig unter Druck, weil sie Nebentätigkeiten der Bundestagsverwaltung viel zu spät gemeldet haben. Das heimliche Nachbessern ist aufgefallen, weil die Transparenz-Überwacher gewählte Politiker oder Kandidaten ständig unter Beobachtung haben.

Autor:

Dirk Jericho aus Mitte

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